Grün, grüner, U18-Wahl. Ein Erfahrungsbericht

Von Selma Green | „Allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim”, zählte ich im Politikunterricht die Wahlrechtsgrundsätze vor der Klasse auf. Zum neuen Thema, den Wahlen, wurde in meiner Klasse schon heiß diskutiert, ob man das Wahlalter auf 16 Jahre senken sollte. Der Großteil war dafür. So wie viele Schüler auf meiner Schule, die der Meinung sind, wir Jugendlichen sollten wählen gehen. „Wenn wir schon nicht richtig wählen können, dann aber fake”, war der Gedanke, denn es wurde eine U18 Wahl für die Fünft- bis Zwölftklässler auch an meiner Schule veranstaltet.
Innerhalb von zwei Pausen konnte man auf dem Schulhof wählen gehen. Man muss es sich so vorstellen: Vier Tische wurden zu einer langen Tafel aufgestellt. Die zwei inneren Tische wurden von drei Zehntklässlern besetzt. Vor den Tischen bildete sich eine Schlange quer über den ganzen Schulhof. Vorne an den Tischen wurde gedrängelt ohne Ende. Die drei Zehntklässler mussten jeden Wähler auf einer Liste unterschreiben lassen und die Wähler darauf abhaken. Nachdem ich unterschrieb, bekam ich einen Wahlzettel mit den Parteien für die Zweitstimme und musste mich irgendwie durch das Gewusel zu den “Wahlkabinen” vorarbeiten. Die beiden äußeren Tische sollten die Wahlkabinen darstellen.
Naja, “Wahlkabine” konnte man das nicht nennen: Auf den Tischen waren Trennwände platziert, die eigentlich für Klassenarbeiten gedacht waren. Sie sind ca. 30 cm hoch und bestehen aus nur einer Wandseite. Sichtschutz bieten die erst, wenn man an dem Tisch sitzt. Die ganze Wahl wurde etwas improvisiert und somit auch Stühle für die Wähler vergessen. Nun stand ich gebückt da, während mein Körper immer mehr einer Zuckerstange ähnelte, versuchte ich ein Kreuzchen zu setzen, sodass meine Mitschüler es nicht sehen konnten. Eine Wahlkabine neben mir stand ein Fünftklässler, der seinen Wahlzettel musterte, als wäre es eine schwierige Matheaufgabe. Bis sich seine Kumpels grölend gegen ihn warfen und ihm in die Ohren brüllten: ”Grün! Wähl die Grünen! Da, hier stehen sie!” Der Junge grinste etwas gezwungen. Ich guckte nicht hin als er zögernd sein Kreuzchen setzte, ich wollte die Wahl schließlich noch ernst nehmen. Seine Kumpels jubelten daraufhin.
Man gab sich noch nicht einmal die Mühe für eine richtige Wahlurne. Ich meine: Karton umdrehen, Schlitz einritzen und mit Filzstift „Wahlurne” drauf kritzeln. Wäre das so schwer gewesen?
Die Aufgabe sollte stattdessen ein Jutebeutel übernehmen – damit war dann der letzte Funken Hoffnung, auf eine halbwegs seriöse U18-Wahl erloschen… Dieser Wahljutebeutel lag irgendwo im Nirgendwo zwischen den Zehntklässler auf den Tischen. Durch das Gedränge brauchte ich eine Weile, bis ich ihn überhaupt gefunden und erreicht habe. Nach dieser chaotischen U18-Wahl dauerte es eine Ewigkeit, bis die Stimmen ausgezählt wurden. Jetzt, zwei Wochen später, wurde das Ergebnis veröffentlicht.

Kein Wunder, dass 35 Prozent der Schüler die Grünen wählen, wenn uns im Geografieunterricht eingetrichtert wird, die Welt gehe wegen des Klimawandels bald unter. Von Lehrern und Schülern wird das Bild erzeugt, die AfD-Politiker sind Nazis und die Grünen die Guten. Das ist wohl ein Grund, weshalb die Grünen so viele Stimmen bekommen haben.
Für die meisten Schüler war es einfacher, beim Mainstream mitzuschwimmen oder dasselbe wie ihre Eltern zu wählen, um sich keine Gedanken über die Partei zu machen. Computerspielen oder das andere Geschlecht sind für viele in meinem Alter interessanter als Politik.
Dass Wahlen frei und geheim sein sollten, wurde bei der U18-Wahl, übrigens – organisiert von 16-Jährigen – ignoriert. Die ganze Wahl wurde nicht ernst genommen.
Geht es bei Wahlen nicht darum, eine Partei zu wählen, die die eigenen politischen Ansichten am besten vertritt? Ich wüsste nicht, wie ein Wahlalter ab 16 Jahren funktionieren sollte – ich bin doch gerade erst dabei, meine politische Meinung zu bilden. Wie wenig ich und meine Mitschüler über politische Themen Bescheid wissen, merke ich an Diskussionen mit denen. An der Schule erfahren wir meist grüne Indoktrination statt Bildung. Durch die größtenteils einseitige Presse ist es auch nicht einfach, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Wenigsten in meinem Alter informieren sich politisch. Ein Wahlalter ab 16 Jahre halte ich deswegen für keine gute Idee. Und das sage ich als 16 Jährige.