Fußball WM: Deutsche machen sich lächerlich, Iraner zeigen Mut

Von Boris Cherny | Die Fußball WM in Katar ist wohl eines der politisiertesten Sportereignisse aller Zeiten. Noch vor dem Anpfiff des ersten Spiels hatte die Fifa mit zahlreichen Skandalen zu kämpfen. Erstmals verweigern massenhaft Deutsche, normalerweise so fußballverrückt wie kein anderes Land, das Zuschauen der WM-Spiele. Allein das Eröffnungsspiel Katar gegen Ecuador sahen etwa 40 Prozent weniger Menschen als noch das Eröffnungsspiel 2018 bei der WM in Russland. 

Die aufgebrachte Stimmung bei der deutschen Bevölkerung ließ sogar den sonst so gehorsamen DFB gegen die FIFA aufbringen. Die deutsche Mannschaft sollte, zusammen mit mehreren anderen europäischen Nationalmannschaften, mit einer symbolischen Kapitänsbinde auflaufen, die abstrakt für „Diversität“ stehen sollte, praktisch aber gegen die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, insbesondere den Umgang mit Homosexuellen, in Katar protestierte. So geringfügig diese symbolische Aktion auch werden sollte, in Deutschland wurde sie zu einem heroischen Akt selbstlosen Widerstands hochstilisiert. 

Doch zugegebenermaßen ist der FIFA und dem katarischen Regime die Binde ein Dorn im Auge. Lautstark stemmte sich der Weltverband gegen die angekündigte Protestaktion. Rasch knickten die ersten Mannschaften ein. Hugo Lloris, Kapitän der französischen Mannschaft, kündigte an, die Binde nicht tragen zu wollen, er wolle nämlich die katarische Kultur respektieren.

Die Begründung selbst ist zwar absurd, aber vielleicht war Lloris Rückzieher aber ehrenhafter als das Einknicken der deutschen Mannschaft am Montag. Nachdem noch Tage vor der WM Kapitän Manuel Neuer selbstbewusst ankündigte, selbst unter Strafe die Binde tragen zu wollen, machte der DFB nur einige Tage später die Kehrtwende. Die FIFA drohte öffentlich mit nicht näher spezifizierten Strafen, sofort nahm die deutsche Mannschaft ihre Ankündigungen zurück. Zahnloser und willensschwacher hätte der Protest der deutschen Mannschaft nicht ausfallen können. Erst hochmütig über seine Überzeugungen schwadronieren und dann so schnell und widerstandslos einknicken, das Licht, in dem sich der DFB präsentiert, ist nicht gut.

Dabei wäre ein öffentlicher Widerstand, auch über die Sanktionen der FIFA hinweg, ziemlich aussichtsreich gewesen. Zusammen mit den anderen Verbänden, allesamt große Fußballnationen, und für diese WM unabdingbar, hätte man problemlos einen wirksamen Protest aufstellen können. Die FIFA hätte weder die Mannschaften sperren können noch auf andere Weise das Weiterkommen dieser Mannschaften ins Achtelfinale behindern können, ohne dabei völlig das Gesicht zu verlieren. 

So allerdings steht der DFB blamiert da, vor allem während parallel zur Binden-Debatte die iranischen Spieler bei ihrem Spiel gegen England am Montag die iranische Nationalhymne verweigerten. Für diesen Affront drohen den iranischen Spielern Gefängnisstrafen. Diese Protestaktion könnte ihre gesamte Karriere oder gar ihr Leben zerstören. Doch die iranischen Spieler sind im Gegensatz zur deutschen Mannschaft bereit, echte Risiken für Demokratie und Freiheit einzugehen.

Möglicherweise kam der deutsche Rückzieher für die meisten nicht überraschend. Trotzdem ist das Verhalten unserer sportlichen Botschafter, die in anderen Fällen, wie beispielsweise bei der EM 2021 gegen Ungarn, bereit sind, viel Lärm um politische Fragen zu machen, enttäuschend. Vielleicht sollten Fans von Demokratie und Freiheit bei dieser WM lieber das iranische Team anfeuern, immerhin tritt es konsequenter und mutiger für liberale Werte ein.