Frau Atamans Kartoffelproblem: Die Wurzeln reichen tiefer
Von Sarah Victoria | Der Bus fährt Ihnen vor der Nase weg und Sie sitzen im Rollstuhl? Sie haben einen Migrationshintergrund und der deutsche Nachbar hat zweimal nachgefragt, wie man Ihren Namen ausspricht? Oder sind Sie es einfach Leid, die ganzen Wurstbuden im Tatort zu sehen? Als offizielles Opfer von Diskriminierung dürfen Sie sich mit ihrem Anliegen demnächst unverzüglich an die nächste Beratungsstelle der Bundesregierung wenden. Hier wird Ihnen gezeigt, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, um im deutschen Kartoffelland zu überleben. Doch Vorsicht, vor dem Besuch gilt es zu überprüfen, ob die Behörde auch wirklich für Sie zuständig ist! Die neue Antidiskriminierungsbeauftragte hat eine ganz eigene Prioritätenliste und nicht jedes Knollengemüse kommt darauf vor.
Ferda Ataman wurde im Juli zur – das gilt es zu betonen – Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt. Sie selbst gehört keiner Partei an, vorgeschlagen wurde sie allerdings von der Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Grünen). Die Ampelkoalition war sich bis zuletzt uneinig über die personelle Besetzung. Atamans Kandidatur war so umstritten, dass nur eine haarscharfe Mehrheit von 376 Abgeordneten ihrem Amtsantritt zustimmte – die Regierungskoalition allein zählt 416 Abgeordnete. Neben den Oppositionsparteien kritisierten auch einige Abgeordnete der FDP die Identitätspolitik und aktivistische Vergangenheit der neuen Behördenleitung.
Die Kartoffel-Kontroverse
Vor ihrem Amtsantritt arbeitete Frau Ataman bis 2020 unter anderem als Kolumnistin für den Spiegel. Anders als 10.000 Tweets auf ihrem Twitteraccount, ist ihre ehemalige Kolumne namens „Heimatkunde“ noch nicht gelöscht worden. Hier findet sich auch die Quelle für die aktuelle Kartoffel-Kontroverse. Der entsprechende Beitrag stammt aus dem Jahr 2020 und trägt den Titel „Almanis – oder wie nennen wir Kartoffeln?“. In ihrem Beitrag geht Frau Ataman der Frage nach, warum Deutsche so empfindlich auf den Vergleich mit einer Kartoffel reagieren, wenn Minderheiten doch regelmäßig mit „historischen Schimpfwörtern“ beleidigt werden. Die Antwort ist aus ihrer Sicht simpel: Weil die privilegierten Deutschen immer noch nicht erkannt haben, dass sie jetzt in einer Einwanderungsgesellschaft leben und nicht zu entscheiden haben, als was man sie bezeichnet. Immerhin dürfen Minderheiten ja auch nicht über ihre Fremdbezeichnung entscheiden.
Die jetzige Antidiskriminierungsbeauftragte nimmt die Leser dabei mit auf eine Reise durch die einfallsreichsten Bezeichnungen für „Deutsche ohne Migrationshintergrund“. Von der weißen bio-deutschen Kartoffel, über den klassischen Alman, bis hin zu kreativeren Ideen wie dem „dünnhäutigen Emodeutschen“, „Germanennachfahren“ oder „Deutschen mit Nationalismusgeschichte“ ist alles dabei. Anhand der Beispiele soll aufgezeigt werden, wie sympathisch der Vergleich mit einem Nachtschattengewächs doch sein kann. Die Deutschen sollen lieber dankbar sein, nicht auf ihre dunkle Vergangenheit reduziert zu werden. In anderen Texten kritisiert Ataman den „völkischen Firlefanz“ der deutschen Einheit, fordert Döner anstelle von Wurst als Nationalgericht oder verkündet statt der Corona- die Rassismuskrise. Was muss denn alles auf ihrem Twitteraccount losgewesen sein, wenn diese Texte nach wie vor öffentlich lesbar sind?
Doppelmoral mit Folgen
Ein Blick in Ferda Atamans Vergangenheit zeigt auch, wie Identitätspolitik immer eine gewisse Doppelmoral anhaftet. Diskriminierung ist schlecht, deswegen braucht es mehr positive Diskriminierung. Menschen dürfen hier auf ihre Herkunft reduziert werden, solange es in das woke Weltbild passt. Die kulturelle Deutungshoheit einer Mehrheitsgesellschaft wird kritisiert und durch eine moralische Deutungshoheit einer Minderheit ersetzt. Eine Antidiskriminierungsbeauftragte, die nach dem Motto „Gleiches mit Gleichem vergelten“ operiert. Was soll schon schiefgehen?
Angesprochen auf ihre provokante Vergangenheit, verwies Ataman in der Pressekonferenz darauf, dass sie nicht auf ihre Vergangenheit reduziert werden will. Doch als Politiker startet man seine Karriere nicht als unbeschriebenes Blatt. Ihrem Amtsantritt ging jahrelanger Aktivismus und keine schicksalshafte Eingebung voraus, in der ihr ein Engel in Gestalt von Anetta Kahane erschien und sie zur Kandidatur ermutigte. Anders als ihre Amtsvorgänger wurde sie nach 15 Jahren als erste Vorsitzende der Antidiskriminierungsbehörde direkt vom Bundestag gewählt, davor wurde das Amt nur kommissarisch ausgeführt. Die Neubesetzung wird zukünftig neue Folgen haben, daher die mediale Aufmerksamkeit. Mit dem Rückhalt von zwei Regierungsparteien plant Ataman, Identitätspolitik in den rechtlichen Rahmen aufzunehmen. Die deutsche Gesellschaft soll ideologisch umgeformt werden – auf Kosten der Steuerzahler. Mehr Beratungsstellen, mehr Bundesbeauftragte und mehr Forschung heißen nichts anderes als mehr Budget, das für die Umsetzung benötigt wird. Für Schwerpunkte, die viele als unverhältnismäßig gesetzt sehen. Das ist die eigentliche Problematik.
Neues Motto: Dafür sind wir nicht zuständig!
Statt in die Vergangenheit wird jetzt also in die Zukunft geblickt. Die aktuelle Kontroverse zeige laut Ataman immerhin, wo der Schuh drücke. Nach einem Blick auf die Prioritätensetzung der neuen Antidiskriminierungsbeauftragten muss es sich wohl um Barfußschuhe handeln. Frau Ataman erzählt etwa von einem Rollstuhlfahrer, dem der Bus vor der Nase wegfährt oder der Muslimin, die ihr Kopftuch an den Geräten im Fitnessstudio abnehmen soll. Neue Schwerpunkte sollen zudem auf der Bekämpfung von Antiziganismus (Diskriminierung von Zigeunergruppen), der Benachteiligung der Generation Ü50 auf dem Arbeitsmarkt oder dem Umgang mit behinderten Menschen liegen. Natürlich wird die Aufarbeitung der Coronazeit nicht erwähnt. Auch kein Wort fällt über Menschen in Pflegeberufen, die durch die Einführung der Impfpflicht ihren Job verloren haben. Zeitgleich leben im selben Land sogar Menschen unter Polizeischutz, weil sie aus einer Zwangsehe geflohen sind oder sich in ihrer Glaubensgemeinschaft unbeliebt gemacht haben. Seyran Ates, Aktivistin und Gründerin der Ibn Rushd-Goethe Moschee, twitterte folgendes:
Wir haben Ataman auf Morddrohungen gegen mich und andere Personen in unserer Moschee hingewiesen. Die Antwort war: Ataman sei nicht zuständig. Wir erleben aber Diskriminierungen durch konservative Muslime und Islamisten.
— Seyran Ates (@SeyranAtes) August 16, 2022
Wofür ist Ataman denn zuständig? https://t.co/bvGH0v4Vyw
Für Morddrohungen sei die Antidiskriminierungsbehörde nicht zuständig. Immerhin gibt es insgesamt 42 Bundesbeauftragte, da muss man sich die Aufgaben schon aufteilen, um die eigene Stelle zu erhalten. Dafür kann sich Frau Ates vielleicht an den Bundesbeauftragten für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Herrn Frank Schwabe (SPD), wenden. Jüdische Menschen gehen am besten zum Antisemitismusbeauftragten, Sinti und Roma werden gleich zur Stelle gegen Antiziganismus weitergeleitet und alle nicht-heterosexuellen Opfer von Diskriminierung haben beim Queerbeauftragten eine Chance. Der Kartoffel-Beauftragte lässt wohl noch auf sich warten. Ich freue mich aber schon auf die Antwort, wenn ich mich demnächst vertrauensvoll an die Antidiskriminierungsbehörde wende, da ich Ikea wegen des Pommesverbotes einen „hate crime“ unterstelle. Laut Frau Ataman ist Identitätspolitik immerhin für alle da.
Es ist wie bei Orwell: Anti-Diskriminierung, um zu diskriminieren. Man kann immer sicher sein, dass genau das Gegenteil drin ist…
Guter Text – aber den Titel verstehe ich nicht…?
Ah, jetzt ja! 😉