Flugchaos und BER-Blamage. Mein langer Weg zum Apollo Seminar

Von Selma Green | Mein Herz pochte. Alle paar Sekunden schielte ich auf mein Handy. 20:50 Uhr. 20:51 Uhr. Schaffen wir es rechtzeitig? Der Mitschüler neben mir murmelte vor sich hin, dass es zu spät sei. 20:52 Uhr: er kramte in seinem Rucksack und zog ein blaues Buch heraus. Darauf stand in Druckbuchstaben „BIBEL“. „Selma, lass uns beten”. Schon Tage vor der Abreise nervte er mich mit seiner Panik. Jetzt ergriff sie auch mich. „Nein, geh mir weg mit deiner Bibel”, fauchte ich. Doch ich gebe zu – in dem Moment dachte ich mir auch: „Bitte lieber Gott, lass mich heute Abend nach Berlin zurück, damit ich nicht noch die Nacht am Flughafen mit dem Kauz da neben mir verbringen muss.” Sie fragen sich jetzt sicherlich: Wovon faselt die Dramaqueen da? Nun gut, noch mal von Anfang an. 

Ich wollte doch zum Apollo Seminar!

Ich war mit meiner Klasse auf Klassenfahrt in Valencia. Wir flogen mit Ryanair. Meine Mitschüler schoben immer wieder Panik, denn jeden Tag wurden Flüge von Ryanair gestrichen. Ob unser Rückflug der nächste ist? Am Tag der Abreise war es endlich klar: Der Flug würde stattfinden. Am Flughafen von Valencia angekommen, erreichte uns die Nachricht, dass sich der Flug um zwei Stunden verspätet. Ausgerechnet an dem Tag, an dem wir aus Spanien zurück nach Berlin fliegen wollten, streikten 450 Mitarbeiter der Kabinencrew in Spanien. Zusätzlich herrschte ein allgemeiner Personalmangel. Gerade an diesem Tag hoffte ich, rechtzeitig nach Berlin zu kommen, um an dem Jungautoren Seminar von Apollo News teilnehmen zu können. Der Flugraum war überlastet und mehrere Flüge waren verspätet. Das Problem war, dass wir mit den zwei Stunden Verspätung wahrscheinlich nicht mehr in Berlin landen konnten, da der Luftraum in Deutschland Punkt 0 Uhr schließt, ohne Gnade. 20 Uhr 55: ein schriller Ton erklang aus den Lautsprechern. Alle Passagiere im Flugzeug verstummten und lauschten auf. Ich hielt die Luft an. Es war der Pilot: „Gut für Sie, wir fliegen in Kürze los. Die Lage im Luftraum hat sich verbessert”. Ich atmete auf. Es geht los! Zu unserem Glück drückte der Pilot, auf’s Gas und wir kamen rechtzeitig wenige Minuten vor 0 Uhr in Berlin am BER an.

Massenhaft Streiks bei EasyJet und Ryanair angekündigt

Warum müssen die Mitarbeiter jetzt streiken? Ungünstiger könnte der Zeitpunkt nicht sein – zumindest für die Fluggäste. Dieser Tag wird nicht der letzte sein, an dem die Mitarbeiter in Spanien streiken. Der Juli ist geschmückt von Streiks und Flugausfällen bei Flügen von Ryanair und EasyJet. Das betrifft vor allem Malle-Urlauber, Urlauber in Barcelona und Málaga. Die Streiks von EasyJet werden am 1., 2., 3., 15., 16., 17., 29., 30. und 31. Juli stattfinden. Ryanair hat Streiks für den 30. Juni, 1. und 2. Juli in sämtlichen spanischen Städten angekündigt. Grund dafür sei der geringe Lohn und die schlechten Arbeitsbedingungen der Angestellten bei Ryanair. Auch Lufthansa muss bis zu 2.200 Flüge streichen. Was ist da los?


Der Personalmangel ist wohl neben den Streiks Schuld an der Misere an den Flughäfen. Nicht nur an spanischen, sondern auch an den deutschen Flughäfen herrscht Chaos. 7.200 Arbeitskräfte fehlen an den deutschen Flughäfen – alles Folgen des Lockdowns? Naja, wer kann es den Ex-Mitarbeitern verübeln? Wer möchte einen Beruf ausführen, der durch die Maßnahmen der Bundesregierung und durch das Codewort “Corona” ständig auf Kippe steht? Hinzu kommt, dass das Einkommen vom Flugpersonal netto gerechnet, nahezu genauso hoch wie das eines Hartz-4-Empfängers ist. Lohnt es sich noch für die Menschen beim Flughafen zu arbeiten, wenn sie nahezu dasselbe für’s Nichtstun verdienen könnten? Kein Wunder, dass gestreikt wird, massenhaft Flüge ausfallen und Personalmangel herrscht. 

Geht jetzt auch noch mein Sommerurlaub futsch?

Als ich schließlich am BER anderthalb Stunden auf mein Gepäck gewartet habe, boten Mitwartende aus Verzweiflung an, das Gepäck selbst von den 40 Meter entfernten Gepäckwägen zu holen. Nun gut, es ist der BER, so was kann man diesem Flughafen auch mit einem Überschuss an Personal zutrauen. Doch das Chaos nimmt selbst abends um 0 Uhr kein Ende. Personalmangel und zusätzlichen Streiks – wer wird da noch arbeiten? Die vielen Streiks gerade jetzt in der Urlaubssaison werden jedenfalls in den folgenden Wochen für Chaos an den spanischen und deutschen Flughäfen sorgen. Flugausfälle und Verspätungen stehen dann bei Ryanair und EasyJet-Gästen vermutlich auf der Tagesordnung. Ob mein Flug nach Malle gestrichen wird? Ich will es nicht hoffen. Da hilft wahrscheinlich wirklich nur beten.