Von Laura Werz | In Kuba wurde am Sonntag durch eine Volksabstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit ein neues Familiengesetz angenommen. Mit dem Gesetz sollen Homosexuellen und nicht-biologischen Eltern mehr Rechte gegeben werden. Bei einer beachtlichen Wahlbeteiligung von 74 Prozent haben ca. 67 Prozent für das Gesetz gestimmt. Es ist sogar davon auszugehen, dass die Wahlbeteiligung noch höher gelegen hätte, wären die Öffnungszeiten mehrerer Wahllokale wegen des Hurrikans „Ian“ nicht um eine Stunde verschoben worden.
Die kubanische Regierung verfolgte lange Zeit eine sehr homofeindliche Politik. Seit der Revolution 1959 wurden Homosexuelle vermehrt diskriminiert, verfolgt, eingesperrt und sogar gefoltert. Zwischen 1965 und 1968 wurden Zehntausende Homosexuelle in Arbeitslager gesperrt und noch bis Ende der 70er Jahre verfolgt und inhaftiert. Das neue Gesetz, mit welchem das bisher gültige aus dem Jahr 1975 ersetzt wird, erlaubt die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare sowie die Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare Kinder zu adoptieren. Außerdem werden Leihmutterschaften erlaubt und die Rechte nicht-biologischer Eltern, Kindern und Senioren gestärkt. Der kubanische Präsident und Chef der kommunistischen Partei, Miguel Diaz-Canel, bezeichnete das Ergebnis als „weiteren Sieg der Revolution“.Die katholische Kirche in Kuba sprach sich jedoch gegen die Rechte für Homosexuelle aus. Auch die evangelische Kirche Kubas schloss sich diesem Urteil an.
Doch auch die Opposition kritisierte die Regierung in Hinblick auf das neue Gesetz. Die Regierung wolle sich mit dem progressiven Gesetz dem Ausland gegenüber als fortschrittlich und demokratisch präsentieren. Es seien jedoch nur Kampagnen zugelassen gewesen, die sich für die Annahme des Familiengesetzes aussprachen. Das zeige deutlich, dass das Gesetz lediglich ein falsches demokratisches Licht auf Kuba werfen soll und in keiner Weise die tatsächliche Lage im Land widerspiegelt. Kubas Präsidialamt twitterte „#DieLiebeIstJetztGesetz“. In den Staatsmedien wurde zuvor mit Kundgebungen und Plakaten intensiv dafür geworben, für die Gesetzesänderung zu stimmen. Die Moderatoren betonten stets, wie historisch das Referendum sei und zuletzt war im Fernsehen in einer Ecke dauerhaft der Spruch „#DeineStimmeZählt“ zu sehen.
Hinter dieser Kampagne steckt Mariela Castro, Tochter des Revolutionsführers und Ex-Präsidenten Raul Castro und Nichte von Fidel Castro. Sie ist Chefin des „Zentrums für sexuelle Erziehung“ und setzt sich für die Rechte der LGBTQ-Menschen ein. Auch mit Blick auf die diktatorische Staatsführung Kubas lässt sich eine fortschrittliche Haltung der Regierung in Frage stellen. Als im Juli 2021 Tausende Kubaner gegen die Diktatur demonstrierten, wurden Hunderte zu teils langen Haftstrafen verurteilt. Derartige Volksabstimmungen wie am Sonntag sind eine absolute Rarität. Die Kubaner haben selten Gelegenheit zur Mitbestimmung. Zwar wird das Parlament gewählt, zugelassen ist aber stets nur die Kommunistische Partei. Manche Oppositionelle haben sogar dazu aufgerufen, unabhängig von der eigenen Meinung bei dem Referendum mit „nein“ zu stimmen. Ziel war es dabei, der Regierung keinen Erfolg zu ermöglichen. Es wurde gemutmaßt, dass das Ergebnis schon vor der Auszählung feststünde. Auf Twitter kursierte dementsprechend der Hashtag: „#InEinerDiktaturWirdNichtGewählt“.
Das Abstimmungsergebnis zeigt ein großes Interesse der Bevölkerung an demokratischer Teilhabe und den Wunsch nach Liberalität und Fortschritt. Es bleibt abzuwarten, ob die Durchsetzung des Gesetzes überzeugen kann und dem Land, obwohl es für die Regierung lediglich eine Imagekampagne darstellt, zu mehr Fortschritt verhilft.