Europäischer Gerichtshof entscheidet über Familiennachzug – Künftig wohl noch großzügigere Regeln 

Von Leon Hendryk | Am gestrigen Montag veröffentlichte der Europäische Gerichtshof eine rechtlich bindende Vorabentscheidung bezüglich des Familiennachzugs von Flüchtlingen. Die Entscheidung selbst dreht sich nur um eine Detailfrage. Sehr viel interessanter ist hingegen die Argumentationsweise des Gerichts. Sie hat das Potenzial, dass die Frage des Familiennachzugs im europäischen Asylrecht zukünftig noch großzügiger gehandhabt wird.

Aber zuerst die Fakten: Der Vorabentscheid wurde 2020 durch das Bundeverwaltungsgericht angefragt. Es dreht sich um die Frage, ob eine volljährige und in der Türkei wohnhafte Syrerin das Recht auf ein Visum zur Familienzusammenführung in Deutschland hat, da ihr ebenfalls syrischer Vater hier als anerkannter Flüchtling lebt. Da sie zum Zeitpunkt der Antragsstellung schon volljährig war, hatte sie nach deutschem Recht kein Anrecht auf ein solches Visum, welches für minderjährige Kinder anerkannter Flüchtlinge vorgesehen ist. Allerdings war die Syrerin noch minderjährig, als ihr Vater 2016 seinen Antrag auf Asyl stellte. Laut den geltenden Regeln war der Visumantrag der Tochter aber erst nach dem Abschluss des Asylverfahrens ihres Vaters möglich.

Der Europäische Gerichtshof entschied deshalb, dass das Alter der Syrerin, zum Zeitpunkt zu dem ihr Vater den Antrag auf Asyl stellte, entscheidend sei.  Somit gilt die mittlerweile 23-Jährige rechtlich als „minderjähriges Kind“ – und Deutschland ist dementsprechend verpflichtet, ihr im Rahmen der Familienzusammenführung ein entsprechendes Visum auszustellen.

Wichtiger als diese Entscheidung an sich ist die Begründung der Richter – die hat es in sich. Ihre Argumentation stützt sich in großen Teilen auf die sogenannte EU-Grundrechtecharta und die EU-Familienzusammenführungsrichtlinie (Dir 2003/86). Beide werden vom Gerichtshof genutzt, um eine weitreichende Interpretation der Familienzusammenführungsgesetze, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene, zu rechtfertigen. Die Familienzusammenführungsrichtlinie führt beispielsweise aus: „Familienzusammenführung ist eine notwendige Voraussetzung dafür, dass ein Familienleben möglich ist. Sie trägt zur Schaffung soziokultureller Stabilität bei, die die Integration Drittstaatsangehöriger in dem Mitgliedstaat erleichtert; dadurch wird auch der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt gefördert […]“.
Solche und andere Passagen werden in der Entscheidung des Gerichtshofs mehrmals zitiert, um zu begründen, dass die Regeln in Fragen dieser Art möglichst liberal ausgelegt werden sollten. Der Standpunkt des Gerichts scheint einfach zu sein: Familienzusammenführung ist gut, und sollte deshalb soweit wie möglich gefördert und vereinfacht werden. Argumente, die gegen eine zu starke Vereinfachung des Familiennachzugs sprechen, werden in den Ausführungen des Gerichts hingegen kaum berücksichtigt. 

Der Europäische Gerichtshof fährt hier also eine sehr großzügige Linie, wenn es um das Recht auf Familienzusammenführung geht. Dies wird sich auch auf die Entscheidungen nationaler Gerichte und weitere Europäische Gerichtsverfahren zu diesem Thema auswirken. Es ist also zu erwarten, dass die Migration in die Europäische Union durch Familiennachzug, bzw. Familienzusammenführung, zukünftig weiter zunehmen wird. Es ist außerdem wahrscheinlich, dass sich der rechtliche Rahmen für diese Art der Migration weiter lockern wird. 

Da viele rechtlich anerkannte Flüchtlinge aus Ländern wie Syrien, Afghanistan, dem Irak und Eritrea kommen, werden aus diesen Ländern nun auch vermehrt Familienangehörige nach Deutschland und in andere europäische Staaten nachziehen – auch längst erwachsene. Ein Asyl-Antragsteller aus 2015 könnte so per Nachzug für „Minderjährige“ seinen mittlerweile 24-Jährigen Sohn nachholen. Das ist nicht nur absurd: In Anbetracht der offensichtlichen Probleme, welche die Massenmigration aus diesen Ländern in den vergangenen Jahren geschaffen hat, ist der aktuelle Kurs des Europäischen Gerichtshof in dieser Frage auch  besorgniserregend. 

1 Antwort

  1. Wolfgang Schwarzbach sagt:

    ….. Ißt auf die wie auch immer und woher, kommenden EU-Institutionsentscheidungen: macht es wie Organ!!!!!