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EU-Migrations-Deal mit dem Libanon: Eine Milliarde in ein Fass ohne Boden

Die EU will eine Milliarde Euro in den Libanon pumpen, um illegale Migration einzudämmen. So fließt viel Geld in ein Fass ohne Boden - und den Flüchtlingsstrom wird es nicht aufhalten.

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An den Küsten Zyperns kommen seit Monaten über den Libanon vermehrt Migranten aus Syrien an, etwa sieben Prozent der Bevölkerung soll derzeit aus ihnen bestehen. „Es reicht. Wir sind nicht mehr in der Lage, mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen“, beschreibt Staatschef Nikos Christodoulidis die Situation.

Damit sich das ändert, ist EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen im Libanon – einem kleinen Land in der Levante, welches selbst seit Jahren und Jahrzehnten unter hohem Migrationsdruck steht. Dieser schwappt auch zunehmend nach Europa über: Hunderte Syrer aus dem Libanon fahren jeden Tag mit dem Boot über das Mittelmeer nach Zypern. Seit Jahresbeginn wurden bereits rund 4000 Migranten gezählt – im ersten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 78. Nicht nur Syrer wollen das Land verlassen: Masseneinwanderung, vor allem von palästinensischen Flüchtlingen, hat die religiöse Harmonie im Libanon gesprengt und den sozialen Zusammenhalt zerstört. Eine echte gemeinsame Gesellschaft gibt es nicht mehr, auch keine Staatlichkeit – de facto kontrolliert die radikalislamische Terrorgruppe Hisbollah weite Teile des Landes.

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Dennoch will von der Leyen massiv europäisches Geld in den Libanon schütten. Rund eine Milliarde Euro soll bis Ende 2027 nach Beirut fließen, ein erster hoher dreistelliger Millionenbetrag könnte bereits im Sommer gezahlt werden. Mit dem Geld sollen auch die libanesischen Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte unterstützt werden. „Dabei geht es vor allem um die Bereitstellung von Ausrüstung und Ausbildung für die Grenzverwaltung“, sagte von der Leyen. Darüber hinaus sollen mit den Hilfen das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden.

Failed State Libanon: Zwischen Terrorherrschaft und Anarchie

Dabei hat der Libanon immer weniger von dem, was man staatliche Strukturen nennt – das Land steht am Abgrund. „Der Libanon hat keine funktionierende Staatlichkeit mehr. Er ist eigentlich ein Failed State“, sagte der Libanon-Experte Christian Thuselt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es gibt keinen Präsidenten. Die Regierung steht auf Abruf […] Große Teile des öffentlichen Dienstes werden kaum entlohnt, das Land ist bankrott. Die Armee funktioniert nicht, die Polizei funktioniert nicht, die Justiz funktioniert nicht.“

Seit 2019 durchlebt der Libanon eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise, die von der Weltbank als eine der schwersten weltweit seit Mitte des 19. Jahrhunderts eingestuft wird. Die Inflationsrate liegt bei über 200 Prozent, und das libanesische Pfund verliert rapide an Wert. Wenn man 100 Dollar (etwa 91 Euro) in die lokale Währung umtauscht, erhält man einen fast wertlosen Stapel an Banknoten. Die Bürger haben keinen Zugriff mehr auf ihre Ersparnisse in den Banken, da alle Konten seit 2019 eingefroren sind. Pro Monat dürfen Bankkunden nur 200 bis 300 Dollar abheben. Ein Großteil der Bevölkerung lebt mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze.

Armut und Verkommenheit

An den Straßenrändern häuft sich der Müll, Strom gibt es für die allermeisten Menschen nur wenige Stunden am Tag. Nur die Reichen können sich noch eine teure, sichere Energieversorgung über den Schwarzmarkt leisten. Verlassene Wohnblöcke im Stadtzentrum verfallen zusehends – Beirut, einst das Paris des Mittleren Ostens und eine pulsierende Mittelmeer-Metropole, gleicht immer mehr einer verkommenen Geisterstadt.

Damit repräsentiert die Hauptstadt Gegenwart und zumindest die nahe Zukunft eines Landes, das einst als die Schweiz der Region und Hoffnungsträger galt. Die Idee einer multiethnischen, multireligiösen Gesellschaft ist kollabiert, vom alten Glanz, dem tatsächlichen wie dem metaphorischen, ist nichts mehr übrig.

Der Deep State der Warlords

Najat Aoun Saliba, Abgeordnete des libanesischen Parlamentes, beschrieb die schrecklichen Zustände schon 2022 gegenüber dem amerikanischen Sender PBS: „Diese Warlords haben das geschaffen, was wir einen Deep State nennen. Das heißt, sie haben ihre Tentakel überall. Es tut mir leid, das zu sagen, aber unsere Regierenden haben uns im Stich gelassen, sie haben das Land im Stich gelassen, und wir befinden uns in einem völlig gescheiterten Zustand.“

Im Land herrscht ein Machtvakuum: Seit eineinhalb Jahren scheitert die Wahl eines Präsidenten hier immer wieder an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite. Das Amt bleibt vakant, einen Ministerpräsidenten gibt es auch nicht wirklich. Der Libanon wird seit den Parlamentswahlen im Frühjahr 2022 von einer geschäftsführenden Regierung unter Leitung des designierten Ministerpräsidenten Mikati geführt. Seine Regierung ist höchstens eingeschränkt handlungsfähig. Bisher vier Versuche zur Wahl eines neuen Präsidenten sind gescheitert.

Ein Fass ohne Boden

Das Projekt Hisbollah durchdringt im Libanon alle Bereiche der Gesellschaft und des alltäglichen Lebens, ihren politischen und gesellschaftlichen Einfluss im Libanon baut sie seit ihrer Entstehung 1982 systematisch aus. Die Hisbollah betreibt einen eigenen TV-Sender, Schulen, Krankenhäuser und hat ein eigenes Finanz- und Sozialsystem aufgebaut. Medienberichten zufolge bietet die Hisbollah armen Menschen vergünstigte Wohnungen an. Unter einer Voraussetzung: dass dort Waffen gelagert werden dürfen. Teile des Landes sind unter ihrer Kontrolle: die Bekaa-Ebene im Nordosten, der Süden des Libanon sowie den südlichen Teil der Hauptstadt Beirut. Sie stellt Staatlichkeit in einem Land dar, in dem es kaum eine existierende Staatlichkeit mehr gibt.

De facto fließt also Geld in ein Fass ohne Boden: Die EU-Milliarden drohen, weitgehend ineffektiv im Korruptionsloch Libanon zu versickern. Zeitgleich wird so nicht mal die Migration begrenzt: für jeden illegalen syrischen Migranten, den der Libanon zurücknimmt, nimmt die EU einen Syrer auf. Und die übrigen Syrer wird das Abkommen auch nicht im Land halten. „Die EU macht im Libanon einen großen Fehler“, sagt etwa Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis, laut Focus Online.

Das Land habe eine lange Geschichte interner Probleme, getrieben von konfessionellen Konflikten, die bis heute immer wieder zu einem Machtvakuum führen. Der Libanon sei in keiner Weise bereit, ein Aufnahmeland für Flüchtlinge zu sein. Die gleichen Politiker, die jetzt Gelder von der EU in Empfang nähmen, würden auf Podien dazu aufrufen, die Syrer aus dem Land zu werfen. „Es ist irre, zu sehen, dass die Europäer an die Illusion glauben, dass die libanesischen Behörden in der Lage wären, den Flüchtlingsstrom einzudämmen.“

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