Erfolgsgeschichte 9-Euro-Ticket – lasst das Chaos weiter gehen!

Von Johanna Beckmann | Dank des 9-Euro-Tickets hat der geplante Urlaub am Meer für viele Deutsche wohl schon am Bahnsteig ein jähes Ende genommen – denn entweder stand man so nah neben einem anderen Menschen, dass das Atmen schwierig wurde oder man passte schlicht nicht in den Zug. Und weil das alles so „schön“ war, wird der Wahnsinn jetzt wohl fortgesetzt.
Ausfälle, Verspätungen, überfüllte Züge – die „Erfolgsgeschichte“
Ab Juni konnte jede Person für neun Euro in der zweiten Klasse durch ganz Deutschland reisen. Das schien gut angekommen zu sein, denn schon im ersten Monat wurden 21 Millionen dieser Tickets verkauft. So „gut“ blieb es jedoch nicht, denn schon am Anfang der drei geplanten Monate wurde klar, dass die Deutsche Bahn völlig überfordert ist. In den letzten Monaten kamen die Züge dann noch häufiger zu spät (als eh schon), sodass viele Menschen nicht einmal ihren Anschlusszug erreichten. Wenn die Bahn dann doch ein Mal pünktlich erschien, dann war sie oft so überfüllt, dass man kaum einsteigen konnte. Einmal reingequetscht galt es dann um jeden Zentimeter Platz zu kämpfen, um seiner Lunge ein Quäntchen Platz zum Atmen z ermöglichen. Und bei all dem sieht Verkehrsminister Volker Wissing das 9- Euro-Ticket auch noch als Erfolg an.
Deshalb will man das Chaos nun fortsetzen. Bei der Verkehrsministerkonferenz erklärten die Länder, außer Bayern und Brandenburg, sogar, dass sie zur Kostenbeteiligung bereit wären. Die Bedingung dafür wäre ein Konzept vom Bund, in dem Fragen wie „Wie teuer wäre das 9-Euro-Ticket? Gilt es bundesweit? Und wie hoch soll der Länderanteil sein?“, beantwortet werden. Die Frage zu beantworten: „Kann die deutsche Bahn überhaupt den andauernden Ansturm von Fahrgästen bewältigen?“, war jedoch keine Bedingung. Es ist ja bekannt, dass die Züge schon vor dem 9-Euro-Ticket oft sehr unpünktlich waren und manchmal einfach ausfielen. Aus diesem Grund bedeutete pünktlich bei der Deutschen Bahn auch nicht, dass der Zug zur angegebenen Zeit ankommt, sondern, dass er dann innerhalb der nächsten sechs Minuten erscheint.
Wenn das System der Deutschen Bahn noch nie besonders gut funktioniert hat und es während des 9-Euro-Tickets noch schlimmer wurde, wieso sollte es dann bei einem dauerhaft verbilligten Ticket funktionieren? Und wie groß soll das Chaos werden, wenn die Deutsche Bahn zusätzlich auch noch plant in diesem Jahr 1.800 Kilometer Gleise, 2.000 Weichen, 140 Brücken und 800 Bahnhöfe zu sanieren? Ab 2024 soll das Netz der Bahn generalsaniert werden. Und es ist jetzt schon klar, dass es dann kaum Ausweichzüge geben wird. Wenn dann also mein Zug ausfällt, kann ich eine weitere Stunde warten bis der nächste kommt und wenn dieser überfüllt ist noch länger.
Die Ziele wurden völlig verfehlt
Dieses Problem wird auch der Vorschlag aus dem Konzeptpapier von Ricarda Lang mit einem regionalen 29 Euro und einem bundesweiten 49 Euro Ticket nicht lösen. Selbst ein 365 Euro Ticket wäre viel zu günstig, um die gesamten Kosten zu decken, da muss man über kostenfreie ÖPNV gar nicht diskutieren. Wenn man diese Preise mit denen vor dem 9-Euro-Ticket vergleicht, sind auch 365 Euro wenig. Vorher musste man für die BahnCard 100 für die 2. Klasse 4.144 Euro bezahlen. Das ist ein enormer Unterschied und die Deutsche Bahn war schon im Jahr 2020 mit diesen Preisen schlecht aufgestellt. Der Steuerzahler pumpt jährlich über 10 Milliarden Euro in die Bahn und trotzdem betrug der Nettoverlust im Jahr 2020 5,7 Milliarden Euro. Und trotzdem funktionierte zu diesem Zeitpunkt schon nichts: Über kaputte Toiletten, Verspätungen oder gar Ausfälle klagten regelmäßige Bahnkunden schon damals.
Das Ziel des 9-Euro-Ticket war es dem Klima zu helfen, die Menschen zu entlasten und dabei die Deutsche Bahn für Fahrgäste attraktiver zu machen. Mich und viele Fahrgäste haben die überfüllten und oft ausfallenden Züge eher abgeschreckt. Nicht bei meinem Ziel anzukommen stresst mich auch eher, als dass es mich entlastet. Wenn alle gestresst sind und lieber Autofahren, dann ist dem Klima, den Menschen und der Deutschen Bahn nicht geholfen.
Liebe Politiker, bitte zurück zum Status Quo vor dem 9-Euro-Wahnsinn. Der war zwar auch nicht schön, aber für mich immer noch besser als nicht bei meinem Ziel anzukommen und während meiner Zugfahrt nicht atmen zu können. Ich würde dafür auch mehr als neun Euro bezahlen.
Die Kosten für den Steuerzahler sind natürlich ein Problem – aber ein Transportmittel für Menschen ist die Bahn ohnehin schon lange nicht mehr. Man musste ja schon vor 20Jahren froh sein, wenn einem „singende“ Kegelvereine und Fußballfans nicht auf die Schuhe brechen während sie einem ein Dosenbier „anbieten“. Spätestens seit die kulturelle Bereicherung dafür gesorgt hat, dass man gerne mal die nackten oder auch beschuhten Füsse eines anderen Fahrgast auf der Armlehne findet ist klar: das sind eben Viehtransporte…. irritierender Weise halten sie aber nur selten am Schlachthof.