Endlich kann ich mitmischen: Meine Erfahrung als Erstwähler

Von Michael Friese | Ich bin dieses Jahr 18 geworden. Das bedeutet, dass die Wahl zum 20. Bundestag meine erste Gelegenheit war, im politischen Spiel mitzuspielen. Natürlich ist eine einzelne Stimme bei Millionen wahlberechtigten Bundesbürgern ein kleiner Beitrag, aber jeder sollte seinen Beitrag leisten, um der Regierung zu sagen, dass sie entweder alles richtig gemacht oder alles komplett vermasselt hat (und was es da noch so in der Mitte gibt). Der Tag der Wahl war für mich ein sehr wichtiger. Zum ersten Mal durfte ich ein Recht ausführen, welches sonst nur meinen Eltern vorbehalten war. Es hört sich vielleicht wie etwas an, was ein Zehnjähriger sagen würde, aber so ist es eben.
Der Weg zum Wahllokal und das Wählen selbst waren nicht besonders spektakulär. Da ich auf dem Land lebe, waren nicht besonders viele Leute im Wahllokal – um genau zu sein, waren wir zu dem Zeitpunkt die einzigen – und da ich nicht in Berlin lebe, konnte man mir auch einen Wahlzettel aushändigen. Alles lief in gewohnten Bahnen ab: Ich ging in die Wahlkabine und verinnerlichte mir noch einmal meine Wahlentscheidung. Ich würde nämlich lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir sicher bei der Wahl war. Auf diese Entscheidung haben mich monatelanges Hadern und Überlegen „vorbereitet“. Es war letztendlich die Wahl des geringsten Übels.
Nachdem ich meine zwei Kreuze gesetzt hatte, habe ich meinen Wahlzettel gefaltet – selbstverständlich so, dass man die Kreuze nach außen hin sehen konnte, habe ich bei meinem guten Onkel Armin gelernt – und ihn in die Wahlurne gesteckt. Als ich dann das Wahllokal verließ, fühlte ich mich, als hätte ich meinen Teil dazu beigetragen, dass der Bundestag nun so besetzt sein wird, wie er eben sein wird. Da mag mir nicht jeder zustimmen, aber so habe ich mich eben gefühlt, wobei diese Wahl auch meinen inneren Wunsch nach Volksabstimmungen nochmals verstärkt hat. Denn auch ich finde es zugegebenermaßen frustrierend, dass man alle vier Jahre einmal zur Urne gebeten und dann in Berlin auf Villa Kunterbunt gemacht wird.
Nach dem Wählen kam dann natürlich das Auszählen. Viele Leute gucken sich alle fünf Minuten die Hochrechnungen an, egal ob sie aktualisiert wurden oder nicht. Nichts gegen solche Leute, aus ihnen spricht ein Enthusiasmus, den ich schätze, aber ich gehe eher einen entspannten Weg. Ich schaue mir die Zahlen einmal bei den ersten Hochrechnungen an, horche so ein bisschen herum, was andere Leute gerade so über die möglichen Wahlergebnisse erzählen und warte einfach bis zum nächsten Tag, an welchem dann langsam ans Licht kommt, wer nun wie gewählt hat. Das liegt vermutlich daran, dass ich keine Partei habe, für die ich wirklich brenne, aber auch so schont es die Nerven, weil man sich eben nicht stresst.
Wie waren aber nun die Ergebnisse für mich? Nun ja, sie nehmen mich tatsächlich nicht sonderlich mit. Die Partei, die ich gewählt habe, wird niemals die Möglichkeit bekommen, in der Regierung mitzuwirken, also kann ich dahingehend nicht viel mitfiebern. Denn egal, ob jetzt die CDU mit den Grünen und der FDP ins Boot steigt, oder die SPD für bestimmte Assoziationen an der Straßenkreuzung sorgt: am Ende wird sich gar nichts ändern, denn in dieser Wahl ging es nicht um die Frage „Wie geht es weiter?“, sondern um „Wie halten wir Deutschland auf (Kollisions-)Kurs?“. Es mag eher resignierend wirken, aber was nützt es, sich über Wahlergebnisse aufzuregen? Man könnte seine Zeit auch produktiver verwenden und zwar indem man der neuen Regierung und generell allen Politikern genau auf die Hände schaut und ihnen unverblümt einen Klaps auf die Finger gibt, wenn sie mal wieder alles gegen die Wand zu fahren versuchen. Sei es durch journalistische Arbeit oder eben durch den nächsten Gang zur Wahlurne in vier Jahren.