Vorschau auf die US-Midterms: Republikaner vorne
Von Sebastian Thormann | Ab 3. Januar 2023 bläht ein anderer Wind in Washington D.C.: Es ist der Tag, an dem der 118. Kongress der USA zusammentritt. Und der dürfte Präsident Joe Biden allerhand Kopfschmerzen bereiten. Denn es ist abzusehen, dass die oppositionellen Republikaner einen ordentlichen Sieg einfahren werden – die einzige Frage ist eigentlich nur noch, wie groß der ausfällt.
Gewählt wird in den USA bereits in weniger als einem Monat, am 8. November 2022. Zur Wahl stehen alle Sitze des Repräsentantenhauses und ein Drittel aller Senatoren. Aktuell kontrollieren die Demokraten beide Kongresskammer, allerdings nur mit hauchdünnen Mehrheiten. Im Repräsentantenhaus haben sie gerade einmal 8 Abgeordnete mehr als die Republikaner – bei 435 Sitzen. Im 100-köpfigen Senat steht es gar 50 zu 50, eine Mehrheit haben die Demokraten dort nur, weil die Vizepräsidentin bei Stimmgleichheit eine Stimme abgeben darf und Kamala Harris heißt.
Bereits jetzt deuten alle Zeichen dafür, dass das Repräsentantenhaus an die Republikaner fällt und ab Anfang 2023, der Sprecher des Repräsentantenhauses und wohl zweitwichtigste Politiker des Landes ein Republikaner ist. Bei den sog. Midterms zur Hälfte der Präsidentschaft ist es fast immer so, dass das Repräsentantenhaus an die Opposition fällt. Zu Umfragen, die die Republikaner in den allermeisten Fällen vorne sehen, kommt außerdem der Umstand, dass eine rekordverdächtige Zahl an demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr zur Wahl antreten. Ganze 31 Demokraten treten dort nicht mehr an. Zuletzt gab es eine solche Welle in den 90ern. Dazu kommt, dass darunter auch nicht wenige Ausschussvorsitzende sind, also eigentlich in wichtigen Posten sitzen, die man wohl kaum ohne Grund aufgibt. Die Vorsitzenden gehören in den USA aber immer der Mehrheitspartei an. Das bedeutet konkret, erwarten wohl viele, dass ihre Partei demnächst nicht mehr in der Mehrheit ist und sie damit sowieso den Vorsitz los sind.
Mit dem Repräsentantenhaus fällt die Hälfte des Kongresses an die Republikaner, das Durchregieren von Bidens Demokraten ist dann beendet. Ab 3. Januar werden sie für jedes Gesetz und ganz besonders auch für jeden Haushalt einen Kompromiss mit der Opposition finden müssen. Bidens Agenda ist damit größtenteils auf Eis gelegt. Aber wie sieht es mit der anderen Kongresskammer aus, dem Senat?
Der Senat hat im amerikanischen System einige Privilegien, die ihn vom Repräsentantenhaus unterscheiden, so ist er etwa alleine für die Bestätigung von Bundesrichtern, inklusive denen am Supreme Court, als auch Kabinettsmitgliedern und hohen Beamten zuständig. Mit dem Senat hinter sich könnte Biden also gerade bei der Richterbesetzung noch weitestgehend ungestört weitermachen – so wie es Trump nach den Midterms 2018 tat. Verliert Biden allerdings auch den Senat, wäre es desaströs. Ohne eine der beiden Kongresskammern hätte er am Verhandlungstisch mit den Republikanern kaum noch etwas zu bieten. Im Grunde bliebe ihm nur noch eins: Sein Veto, dass er ständig gegen Gesetze einlegen müsste, die die Republikaner durch den Kongress bringen. Kurzum: Er würde zur „lahmen Ente“, einem Schicksal, dass viele Präsidenten, wie etwa Obama, erst spät in ihrer Präsidentschaft widerfährt, nicht in Jahr 2.
Im Senat ist die Besonderheit, dass immer nur ein Drittel neugewählt wird, d.h. je nachdem wie die „Senatskarte“ in der jeweiligen Wahl aussieht, umso bessere Chancen hat die eine oder andere Partei. Dieses Jahr stehen 21 republikanische Sitze zur Wahl, aber nur 14 demokratische. Damit sieht die Karte eigentlich sehr gut für die Demokraten aus – eigentlich, aber 2022 ist trotzdem kein gutes Jahr für die Demokraten. Die Umfragewerte von Biden sind nämlich im Keller und das sorgt dafür das er seiner Partei ein Klotz am Bein ist, sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat. Man sieht es eindrücklich daran, dass viele der gefährdeten Demokraten auf Distanz zu Biden gehen und in Fernsehwerbung, ihre Kritik an bestimmten Punkten seiner Regierungspolitik hervorheben. Die Chancen stehen damit viel eher 50-50. Im Kern wird die Kontrolle über den Senat in 4 Swing States entschieden: Pennsylvania, Arizona, Georgia und Nevada. Zwei davon müssen die Republikaner gewinnen, um die Kontrolle über den Senat zurückzugewinnen.
Pennsylvania ist von den viern, der einzige Staat, der bisher von dem Republikaner Pat Toomey repräsentiert wird, der in den Ruhestand geht. Dort kämpfen nun John Fetterman von den Demokraten, Vize-Gouverneur gegen Mehmet Oz, ein erfolgreicher Herzchirurg und Fernsehdoktor auch bekannt als Dr. Oz, von den Republikanern. Fetterman tritt gerne im Hoodie auf, versucht sich als Mann der Arbeiterklasse zu geben und attackiert Dr. Oz als Reichen aus New Jersey – dabei verschweigt Fetterman nur zu gerne, dass sein Haupteinkommen bis in seine 40er von seinen Eltern kam und er etwa sein Haus für einen Dollar von seiner Schwester kaufte. Dazu kommt, dass Republikaner nun auch seine Zeit in der Bewährungskommission ins Licht der Öffentlichkeit bringen, wo er nicht selten für eine frühe Entlassung von Schwerstkriminellen eintrat. Das Rennen bleibt also eng.
In Georgia muss der Demokrat Raphael Warnock um sein Mandat kämpfen, er wurde nur zwei Jahren zuvor in einer Nachwahl vor dem Hintergrund von Bidens Wahl und ausbleibender republikanischer Mobilisierung ins Amt gewählt. Georgia gilt eigentlich als republikanischer Staat, zu dem Warnocks Abstimmungsverhalten im Senat kaum passt. Für die Republikaner tritt der Ex-Football-Star Herschel Walker an, der viel Popularität genießt. Er schleppt allerdings ein Problem mit sich, während seiner Zeit in der NFL hat er durchaus das ein oder andere Problem mit Alkohol, Drogen, Affären und Ehestreits. Ob das oder Warnocks linkes Abstimmungsverhalten den Ausschlag gibt, wird wohl diese Wahl entscheiden.
Weiter südwestlich in Arizona dreht sich der Wahlkampf immer mehr um den Rekordansturm von illegalen Einwanderern an der US-Grenze. Senator und Ex-Astronaut Mark Kelly von den Demokraten versucht deshalb in Einwanderungspolitik auf Distanz zum Weißen Haus zu gehen und attackiert schonmal Joe Biden. Sein Gegenspieler heißt Blake Masters und ist einer von zwei republikanischen Senatskandidaten (der andere J.D. Vance in Ohio) die dieses Jahr im Vorwahlkampf massiv vom konservativen Milliardär Peter Thiel unterstützt wurden. Wie Vance vertritt auch Masters in vielen Punkten einen populistischeren Kurs. Anders als Vance im roten Ohio muss er damit in Arizona nun auch in einem Swing State konkurrenzfähig werden. Mit Aussagen wie „Die letzte Präsidentschaftswahl wurde gestohlen“ (wegen Manipulation der Nachrichten auf den Sozialen Medien, wie Masters sagt) könnte er moderate Wähler verschrecken. Gleichzeitig steht die ähnlich kontroverse republikanische Gouverneurskandidaten Kari Lake in Umfragen gut da. Gut möglich, dass am Ende Rekord-Inflation, steigende Kriminalität und offene Grenze zu Mexiko Wähler in der Mitte trotzdem dazu bringt ihr Kreuz bei Masters zu setzen.
In Nevada stehen die Chancen der Republikaner wohl mit am besten. Dort tritt mit Adam Laxalt ein ehemaliger Generalstaatsanwalt des Bundesstaates (in den USA oft wie auch hier, eine direkt gewählte Position) gegen die amtierende und größtenteils profillose Catherine Cortez-Masto von den Demokraten an. Nevada ist mit Las Vegas bekanntlich Hochburg der Hotel-, Gastronomie-, und Unterhaltungsbranche und gerade dort hat die Corona-Politik der Einschränkungen, die auch Biden unterstützt, die Existenz vieler getroffen. Dazu kommen nun die Inflation und der Kriminalitätsschwung. Ein gefährlicher Mix für die Demokraten, gerade wenn die Amtsinhaberin wie Cortez-Masto selbst keine besondere Persönlichkeit und im Staat nicht weit bekannt ist. Sie gilt damit bei vielen als generische Demokratin – und das ist bei der politischen Stimmung in diesem Jahr ein Problem.
Das ist die Übersicht über die wichtigsten Senatswahlkämpfe, nebenbei machen einige „Long Shot“-Kandidaten der Republikaner mit besonderer Fähigkeit moderate Wähler zu begeistern auch noch in blauen Staaten Bidens Parteifreunde Konkurrenz – so etwa Tiffany Smiley im Staat Washington und Joe O’Dea in Colorado. Das Rennen um den Senat bleibt also spannend – und ist bei weitem nicht für die Demokraten entschieden so wie man es vielleicht anhand der Karte erwarten würde, da viele der republikanischen Sitze aus sicher roten Staaten kommen. Das Rennen ums Repräsentantenhaus ist zwar noch nicht vorbei, aber hier kann man sich so gut wie sicher sein, dass der nächste Sprecher des Repräsentantenhauses nicht mehr die 82-Jährige Nancy Pelosi sein wird, sondern Kevin McCarthy der republikanische Fraktionsvorsitzende und aktuelle Minderheitsführer im Repräsentantenhaus.
Allerdings liegen die Kandidaten der Demokraten in allen vier US-Bundesstaaten, auf die näher eingegangen wird, in den Umfragen vorne. Am Ende könnten die Republikaner mit einem Senator weniger dastehen.
Super recherchiert. Danke.