Ein Jahr Fall von Kabul: Frauenrechte unter Attacke
Am 15. August 2022 jährte sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen.
Von Gesche Javelin | Seit der Übernahme der Taliban am 15. August 2021 wurden die Freiheiten und Rechte der Frauen in Afghanistan wieder drastisch eingeschränkt. Frauen dürfen das Haus nicht ohne Begleitung eines männlichen Verwandten verlassen und müssen sich verhüllen. An öffentlichen Orten wie Cafés oder Parks gibt es geschlechtergetrennte Bereiche oder Öffnungszeiten. Auch die Kurse an Universitäten werden strickt nach Geschlechtern getrennt. Frauen bekommen kaum noch Chancen, ein Studium zu beenden, denn es gibt wenn überhaupt nur wenige Kurse für Frauen. Dazu kommt noch, dass Mädchen keine weiterführenden Schulen mehr besuchen dürfen.
In Sachen Frauenrechte war Afghanistan selbst vor einem Jahrhundert schon weiter als im letzten Jahr. Als Amanullah Khan im Jahr 1919 König wurde, änderte er einiges für die Frauen in seinem Land. Er setzte sich mit seiner Frau zusammen unter anderem für Bildung für Mädchen und Frauen und die Abschaffung der Burka ein. Seine Frau, Königin Soraya setzte ein Zeichen gegen die Verschleierung, indem sie auch in der Öffentlichkeit ohne Schleier auftrat. Sie war die erste Königin, die sich politisch engagierte. Die Stammesführer gingen jedoch gegen seine Regentschaft vor und Amanullah Kahn musste abdanken und nach Europa fliehen.
Während in den letzten 20 Jahren die Zahl der erwerbstätigen Frauen von 15% auf knapp 20% stieg, schaffte die Taliban in nur einem Jahr den Fortschritt wieder rückgängig zu machen. Tausende Anwältinnen, Polizistinnen und Journalistinnen mussten ihre Arbeit aufgeben, weil die neuen Taliban-Gesetze nicht mehr zulassen, dass Frauen in diesen Jobs arbeiten. In der Taliban-Regierung sind Frauen gar nicht vertreten. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wurde abgeschafft. Anstatt dessen wurde das „Ministerium für die Verbreitung von Tugend und Verhinderung von Lastern“ eingeführt. Dieses Ministerium ist hauptverantwortlich für die meisten Beschränkungen der Frauenrechte in Afghanistan.
Frauen und Mädchen müssen sich nicht nur äußerlich verschleiern. Sie werden vom öffentlichen Leben großteils ausgeschlossen und ihrer Zukunftschancen beraubt. Wenn sie sich nicht fügen, werden sie in Gefängnisse gesperrt, mit Gewalt versucht gefügig zu machen oder ihre Familien werden bedroht. Der friedliche Protest am letzten Samstag auf den Straßen Kabuls für Essen, Arbeit und Freiheit wurde mit Warnschüssen und Gewalt beendet. Die Frauen werden bedrängt, eingesperrt und verletzt. Auch vier Journalisten, die über den Protest berichten wollten, sind laut dem Verband unabhängiger Journalisten in Afghanistan (AIJA) festgenommen worden. Diese Menschen kämpfen für ihre Rechte, für ein Leben in Freiheit und das teilweise unter Lebensgefahr.