Der Fall von Kabul war der Anfang von Bidens Niedergang
Am 15. August 2022 jährt sich der Fall von Kabul von 2021 zum ersten Mal, Apollo bringt daher diese Woche eine Artikelserie zum Rückblick auf die Geschehnisse von damals und ihren Konsequenzen.
Von Boris Cherny | Vor etwas mehr als einem Jahr war die Welt für Präsident Biden noch in Ordnung. Seine Umfragewerte waren durchaus komfortabel, und sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch schien die USA wieder an Fahrt aufzunehmen. Das änderte sich jedoch abrupt als eine Stadt 11.000 km von Washington DC entfernt in die Hände radikaler Islamisten fiel.
Die Zeit vor August 2021 kann man für Joe Biden als durchaus erfolgreiche Zeit einordnen (zumindest was die Erfüllung von Wahlversprechen angeht, die Sinnhaftigkeit dieser ist fraglich). Sein American Rescue Plan, der die Wirtschaft, mithilfe von keynesianischen Methoden, wieder ankurbeln sollte, wurde vom Kongress verabschiedet. Der Impffortschritt gegen Covid-19 ging rasant voran. Joe Bidens Infrastrukturplan, eines seiner größten Wahlversprechen, war auf dem Weg durch den Senat. Corona schien besiegt, und viele Bundesstaaten lockerten ihre Regeln deutlich, sodass ein fast unbeschwerter Sommer möglich war.
Last but not least konnte er fast schon nebenbei den längsten Krieg in der amerikanischen Geschichte beenden, und das scheinbar mit einem Sieg. Die Taliban, die nun seit Jahren erfolglos versuchten die Macht an sich zu reißen, waren zu Friedensverhandlungen bereit, und die ersten Verträge waren unter Trump schon geschlossen. Alles schien so, als ob die islamischen Fundamentalisten nie wieder an die Macht in Afghanistan zurückkehren könnten. Ihre letzte Regierungszeit, geprägt von der blutigen Durchsetzung der Scharia und dem zerstörerischen Bürgerkrieg, endete mit der Besetzung des Landes durch die USA nach 9/11. Doch nun machte sich Biden es zum Ziel die amerikanischen Truppen bis zum zwanzigsten Jahrestag dieser Tragödie komplett aus Afghanistan abzuziehen, und die afghanische Regierung und Armee vollkommen auf sich selbst zu stellen.
Allerdings kam die Freude zu früh, sowohl Trump als auch Biden unterschätzten die Taliban und ihre Kompromisslosigkeit. Und nach einem August, indem Kabul der im Mai begonnenen Offensive der Taliban zum Opfer fiel, sanken Bidens Zustimmungswerte in den Keller. Das gravierende Missmanagement der Krise nach dem Fall der Hauptstadt eröffnete erstmals vielen Amerikanern die Inkompetenz der Biden Regierung.
Das Chaos am Flughafen von Kabul, die zurückgelassenen Menschen stehen sinnbildlich für das Scheitern einer Präsidentschaft. Erstmals wagte der linke Mainstream à la CNN und MSNBC die politischen Entscheidungen des Staatsoberhaupts infrage zu stellen und sogar zu kritisieren. Das öffnete auch den Raum für Kritik fernab der Außenpolitik. Und plötzlich fingen auch moderate Wähler an, sich an Bidens unzähligen verbalen Ausrutschern zu stören. Mit dem Fall von Kabul begann, zwar unabhängig von der Situation in Afghanistan, eine selbstverschuldete Leidenszeit für Joe Biden und seine Politik. Die verantwortungslosen Stimulationsmaßnahmen des American Rescue Plans und die desaströse Inkompetenz der amerikanischen Notenbank führten zu einer galoppierenden Inflation. Die unnötigen Lockdowns, um ein Virus zu bekämpfen, das in seiner aktuellen Variante fast seine ganze Tödlichkeit verloren hat, schadeten Mensch und Wirtschaft.
In den Novemberwahlen 2021, wo wichtige Gouverneurswahlen anstanden, mussten die Demokraten einige herbe Niederlagen mitnehmen, und nun blickt Biden in diesem November einer Wahl entgegen, die seine Demokraten höchstwahrscheinlich die Mehrheit in mindestens einer Kongresskammer kosten wird. Ob der Niedergang Joe Bidens zusammen mit dem Fall von Kabul hätte verhindert werden können, ist fraglich, doch markiert dieses Ereignis das vorzeitige Scheitern eines Präsidenten, der im Grunde optimale Bedingungen vom Vorgänger geerbt hatte: Eine sich erholende Wirtschaft, autokratische Staaten wie China und Russland unter Kontrolle und sich beruhigende innenpolitische Verhältnisse. Das alles wurde innerhalb vom letzten Jahr, nach dem Fall von Kabul verloren.