Echo-Empörung: Moralinsaurer Heuchlermob
Von MAX ROLAND | Sie haben den Echo doch gewonnen. Kollegah und Farid Bang haben für ihr Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ den Preis bekommen, den sie, wenn es nach vielen anderen ginge, nicht hätten bekommen sollen. Ihnen wurde Antisemitismus vorgeworfen. Grund war eine Textzeile aus dem Lied „0815“: „Und wegen mir sind sie beim Auftritt bewaffnet, mein Körper ist definierter als von Auschwitzinsassen“.
Ich will gar nicht beurteilen, ob das Kunst ist oder nicht, ob es Geschmacklos ist oder nicht, ob es antisemitisch ist oder nicht. Mir geht es um die Reaktionen. Überall empörte Menschen. Wie unmöglich das sei, wie das Antisemitismus verharmlose. Aber es ist schön einfach, sich hier an die Spitze eines Moralmobs zu stellen, wie es zum Beispiel Der Frontmann der „toten Hosen“, Campino, auf der Echoverleihung gemacht hat. Und für diese Aktion erntet er viel begeisterte Zustimmung. Wie couragiert es doch gewesen sei. Aber das ist einfach verdienter Applaus. Eine geplante Aktion, ohne viel zu riskieren, ohne auch nur an die Grenze der eigenen Komfortzone zu gehen. Ein bisschen den besorgten und empörten Gutmenschen geben ist meiner Meinung nach nicht mutig.
Bemerkenswert: Der jüdische Rapper SpongeBozz (auch als Sun Diego bekannt) hatte Kollegah und Farid Bang verteidigt, sofort nachdem die Kontroverse losgebrochen war. Für ihn sei die Zeile zwar geschmacklos, aber nicht antisemitisch. Gegenüber der DPA sagte er, er sehe kein Antisemitismus-Problem in der deutschen Rapszene. Stattdessen sagt er, das Problem sei gesamtgesellschaftlich. Und er hat Recht. Aber das ist ein zu heißes Eisen für die Campinos dieses Landes. Dann käme man nicht drum rum, das Problem da zu verorten, wo es am stärksten vertreten ist: In islamischen Subkulturen. „Jude“ ist nicht an einer Schule in einem Schleswig-Holsteinischen Dorf ein Schimpfwort, sondern eher an einer Schule in Berlin oder anderen Ballungszentren. Woran das liegt, sollte jedem klar sein.
Wenn Campino tatsächlich Mut hätte, dann würde er sich dort gegen den Antisemitismus stellen, wo es tatsächlich mutig wäre. Er würde aus seiner Blase heraustreten und explizit das Problem mit muslimischem Antisemitismus benennen. Dass er es nicht tut und auch nicht tun wird, ist ein Armutszeugnis.