Die US-Präsidentschaftswahl 1964 und ihre Folgen
Von Boris Cherny | In knapp zwei Jahren stehen in den USA die Präsidentschaftswahlen an. Diese Wahlen werden wohl so polarisiert sein wie nie. Doch 2024 jährt sich auch das Jubiläum der Präsidentschaftswahl 1964, die das heutige Klima wohl mitverursacht hat. Diese Wahl setzte den Anfang der amerikanischen konservativen Revolution und war gleichzeitig das letzte Hurra der amerikanischen Linksliberalen. Mit dieser Wahl fing der Umbruch innerhalb der politischen Landschaft der USA an, der in der aktuellen zersplitterten und politisierten Gesellschaft gemündet ist. Deshalb gehörte die Wahl 1964 zu den bedeutendsten Wahlen des 20. Jahrhunderts.
Um die Ergebnisse dieses historischen Votums und die amerikanische Politik der damaligen Zeit nachvollziehen zu können, braucht man den Blick nur auf die drei wichtigsten Akteure dieser Zeit zu werfen. Die Wahl fand nur rund ein Jahr nach der Ermordung des 35. Präsidenten der USA statt. John F. Kennedy war trotz seiner relativ kurzen Amtszeit einer der prägendsten amerikanischen Präsidenten des 20. Jahrhunderts geworden. Der Demokrat trat in die Fußstapfen seines republikanischen Amtsvorgängers Dwight Eisenhower und strebte monumentale Fortschritte für afroamerikanische Bürgerrechte an. Seine „New Frontier“ Programme brachten historische, soziale und wirtschaftliche Reformen, auch wenn Kritiker (sicherlich nicht vollkommen zu Unrecht) ihm eine katastrophale Fiskalpolitik vorwarfen, und Kennedy für den, laut ihnen, ausufernden Sozialstaat verantwortlich machten.
Auch in der Außenpolitik war Kennedy, dessen Amtszeit in der Hochphase des Kalten Krieges lag, für zahlreiche weitreichende Entscheidungen verantwortlich. Es war während seiner Amtszeit, als die Welt während der Kubakrise an den Rand eines nuklearen Krieges kam. Am Ende konnte der amerikanische Präsident eine Eskalation, durch geschickte Verhandlungen und Eingeständnisse gegenüber der Sowjetunion, noch verhindern. Auch war es Kennedy, der nach zahlreichen sowjetischen Erfolgen Amerika im Wettlauf ins All einen neuen Schub verlieh. Sein Versprechen an das amerikanische Volk, noch bis zum Ende der Sechziger einen Menschen auf den Mond zu setzen, trieb NASA Wissenschaftler bis zur Erreichung dieses Ziels an (freilich vor allem die mit Kennedys Versprechen einhergehende extensive Finanzierung der NASA). Doch Kennedy prägte die Weltpolitik nicht nur positiv, denn in seine Amtszeit fiel auch der Mauerbau von Berlin, den er durch stümperhafte Verständigung mit dem Sowjet-Chef Kruschev mitzuverantworten hat. Trotzdem bleibt Kennedys folgende „Ich bin ein Berliner“-Rede legendär.
Der charismatische und unkonventionelle Mann aus Massachusetts begeisterte die amerikanische Öffentlichkeit knapp drei Jahre lang, doch das nahm ein abruptes Ende. Als Kennedy zu Besuch in Dallas war, um seinen ersten Auftritt im Präsidentschaftswahlkampf 1964 zu haben, wurde er erschossen. Der Schock saß tief in der amerikanischen Gesellschaft, sie erlebte eine ihrer ersten kollektiven Lähmungen, die sich in den 60ern und 70ern noch häufen sollten. Das Leben und die politische Arbeit mussten dennoch fortgesetzt werden. Hastig wurde Kennedys Nachfolger ins Amt eingeführt. Dieser wird ein deutlich biederer auftretender und älterer Mann: Lyndon B. Johnson (meist auch einfach LBJ genannt). Der Texaner war als der loyale Vizepräsident Kennedys bekannt. Als einer der wenigen Demokraten aus den Südstaaten unterstützte er nicht die rassistischen Jim-Crow Gesetze, die das öffentliche und private Leben der amerikanischen Bürger streng nach Rassen segregierte, und praktisch afroamerikanische Bürger ihrer Bürgerrechte und der Chancengleichheit beraubte. Auch in der Wirtschaftspolitik unterschied sich LBJ von den meisten seiner texanischen Parteigenossen. Er wollte ähnlich wie Kennedy einen sozialliberalen Kurs verfolgen, der mehr Staatsintervention und Sozialleistungen vorsah.
Johnsons Aufgabe war es nun Kennedys Amtszeit erfolgreich zu Ende zu führen, und die angefangenen Vorhaben Kennedys zu vollenden (abgesehen vielleicht vom Vietnamkrieg, Johnson verfolgt eine deutlich aggressivere Strategie als Kennedy) . Ein weiterer „Civil Rights Act“ (es gab bereits mehrere in den 50ern und im 19. Jahrhundert) sollte die langersehnte Gleichberechtigung für schwarze Mitbürger bringen. Auch Kennedys Wirtschaftsprogramm brachte Johnson voran. Mehr noch, er erweiterte es um seine eigene Vision: die „Great Society“ (engl. Große Gesellschaft). Der Begriff stammte aus einer Rede Johnsons, in der er Pläne vorstellte, die eine solche große Gesellschaft in Amerika zustande bringen sollten. Revolutionäre Sozialprogramme wie beispielsweise „Medicare“ und „Medicaid“ zählen dazu (neben der Erweiterung bestehender Sozialprogramme wie beispielsweise „Social Security“), die im heutigen amerikanischen Sozialstaat eine Kernfunktion einnehmen. Diese progressiven Pläne sahen sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine komplette Umwälzung der amerikanischen Gesellschaft vor, was auch prompt die Reaktion auslöste: der Aufstieg des Konservatismus.
Seit der großen Depression, für die der damalige Präsident und Laissez-faire Kapitalist Herbert Hoover verantwortlich gemacht wurde, war das vage politische Konzept des „Konservatismus“ nicht mehr in Mode. Es musste ab jetzt immer Vorwärts gehen, was hieß, mehr staatliche Intervention (im wirtschaftsliberalen Amerika) und mehr gesellschaftliche Freiheit (im wertkonservativen Amerika). Dieser sozialliberalen Prämisse folgten alle Präsidenten seit Franklin Roosevelt. Wer sich als konservativ bezeichnete, wurde schnell als ewiggestrig abgestempelt, eine vereinte konservative Bewegung, wie sie heutzutage in den USA agiert, gab es nicht. Allenfalls in den alten Südstaaten (von Ausnahmen wie dem Senator Robert Taft aus Ohio abgesehen), in denen allerdings in erster Linie Fundamentalopposition gegen den verhassten Norden betrieben wurde, fanden sich so etwas wie konservative Politiker, die aber auf nationaler Ebene wenig Einfluss hatten.
Doch 1964 betrat ein neuer Mann die nationale Politik-Bühne. Ein ruhig auftretender, etwas tollpatschiger Senator aus dem südwestlichen Bundesstaat Arizona: Barry Goldwater. Der Pilot-Veteran aus dem 2. Weltkrieg war ein großer Freund von John Kennedy (Kennedy konnte andererseits kurioserweise LBJ, trotz gleicher Parteizugehörigkeit, nicht ausstehen), auch wenn ihre politischen Philosophien grundverschieden waren. Goldwater war kein reiner Konservativer. Wirtschaftlich wollte er zwar eine Rückkehr zum Laissez-faire Kapitalismus der 20er, doch gesellschaftlich setzte er sich für mehr individuelle Freiheit und die Gleichberechtigung seiner schwarzen Mitbürger ein. Trotzdem wandte er sich gegen Kennedys und Johnsons gesamte Regierungsprogramme. Mit großer Aufmerksamkeit wurde der „Civil Rights Act of 1964“ im Kongress gebilligt. Unter den wenigen republikanischen Senatoren, die gegen dieses historisches Bürgerrechtsgesetz stimmten, befindet sich Barry Goldwater. In seiner Heimat Arizona brachte er die Desegregation voran und war keinesfalls ein Rassist. Dennoch stimmte er gegen das Gesetz, das allen Bürgern endgültig in allen Staaten die gleichen Rechte geben sollte. Seine Stimme gegen den „Civil Rights Act“ begründet Goldwater allerdings, anders als seine demokratischen Senatskollegen aus den Südstaaten, nicht mit Rassismus, sondern weil er das Gesetz für einen verfassungswidrigen Eingriff in die föderale Ordnung hält. Dennoch macht ihn seine Nein-Stimme zum ultimativen Helden in den Südstaaten und zu einer geradezu verhassten Figur im Norden. Schwarze Bürgerrechtler waren erzürnt.
Gleichzeitig war Goldwater seinem politischen Höhepunkt nahe. Seit Monaten planten konservative Politiker und Aktivisten eine Wiederbelebung der eingeschlafenen konservativen Bewegung, und Goldwater war dafür der perfekte Frontmann. Er war erfahren, prinzipientreu und einer der wenigen bundesweit bekannten Konservativen. Der Plan dieser konservativen Gruppe war, Goldwater als den republikanischen Kandidaten für das Präsidentenamt bei der Wahl 1964 aufstellen zu lassen. Das war kein einfaches Ziel, immerhin machten Konservative zu dem Zeitpunkt scheinbar die Minderheit in der Republikanischen Partei aus. Doch es funktionierte und nach einer erbitterten Vorwahl gegen zahlreiche liberale Republikaner wie Nelson Rockefeller oder William Scranton, gelang Goldwater auf dem republikanischen Parteitag, wurde er schlussendlich zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei.
Der Wahlkampf sollte eine harte Lehrstunde für Goldwater und seine Bewegung werden. Schon in seiner ersten Rede als Präsidentschaftskandidat erlaubte sich Goldwater einen Fauxpas, als er „Extremismus“ als eine Tugend zur Erreichung der Freiheit bezeichnete. Schnell zerrissen ihn die Medien für diese Aussage, vor allem, nachdem Goldwater an anderer Stelle (versehentlich) den Einsatz taktischer Atombomben im Vietnamkrieg in Aussicht stellte. Das stellte die perfekte Gelegenheit für Johnsons Wahlkampf Team dar. Diese und andere Aussagen Goldwaters wurden zur ersten großangelegten Negativkampagne in der Geschichte der USA genutzt, indem man Goldwater in zahlreichen Werbespots, als den ultimativen Bumann und Extremisten heraufbeschwor, der den nuklearen Weltuntergang herbeiführen würde. Und tatsächlich zementierten zahlreiche von Goldwaters Äußerungen diesen Eindruck bei der amerikanischen Öffentlichkeit. Die Folge davon, und der anhaltenden allgemeinen Trauer um den Demokraten Kennedy (was LBJ viele Stimmen einbrachte) und eine stabile Wirtschaftslage, war eine schwere Niederlage für Goldwater. Wenige Präsidentschaftswahlen waren je so deutlich wie jene: Goldwater bekam unter 40 Prozent der Stimmen und gewann außerhalb von einigen Südstaaten nur seinen Heimatstaat Arizona. Johnson sah seine und Kennedys Politik bestätigt und konnte innerhalb der nächsten 4 Jahre Kennedys Vision vollenden.
Doch auch Goldwater konnte etwas Positives aus dieser Wahl mitnehmen. Seit über 30 Jahren war kein Konservativer mehr Präsidentschaftskandidat einer großen Partei mehr gewesen. Dank ihm hatten die Republikaner erstmals die Großzahl der Kern-Südstaaten gewonnen, etwas, was von nun an das Ziel eines jeden Republikaners werden sollte. Und Goldwater hatte während der Kampagne vielen konservativen Republikanern zu nationaler Aufmerksamkeit verholfen. Unter diesen Konservativen befand sich auch ein gewisser Ronald Reagan, bisher vor allem aufgrund seiner Hollywood-Karriere berühmt, tat sich während des Wahlkampfes als großartiger Redner auf Goldwaters Veranstaltungen hervor, und gewann durch seine „A time for choosing“ Rede seinen ersten Moment nationaler politischer Aufmerksamkeit. 1980 sollte dieser Reagan selbst zum Präsidenten gewählt werden und würde Goldwaters Vermächtnis ehren. Ohne Goldwaters bitterer Niederlage im Jahr 1964 wäre das nicht möglich gewesen. Diese Jahrhundertniederlage begründete die neue konservative Bewegung, die bis heute weiterlebt.
Bildquelle: Wikimedia Commons via CC BY 4.0
Sehr geehrte Damen und Heren,
die UN-Generalversammlung nahm mit Stimmenmehrheit eine von Russland vorgelegte Resolution „Bekaempfung der Verherrlichung des Nationalsozialismus und Faschismus“ an.
120 Laender stimmten fuer die Resolution, 50 dagegen. Unter den Gegnern waren Laender wie Deutschland, die USA, die Ukraine, Spanien, Norwegen, Schweden, Grossbritannien, Polen, Japan, Griechenland, Kanada, Georgien.
Sind Sie sicher, dass die Regierung im Namen des deutschen Volkes spricht?
Lassen wir uns zur Demonstration gehen, damit sich die blutige Geschichte des Dritten Reiches nicht wiederholt.
Danke, für diesen interessanten Rückblick