Der Präsidentschaftswahlkampf bei den Republikaner kommt ins Laufen
Von Boris Cherny | Der Kampf um die republikanische Nominierung für die Präsidentenwahl 2024 hat fast begonnen. Am Montag kündigte Ex-Vizepräsident Mike Pence seine Kandidatur an, oder doch nicht? Nachdem erste Medien, unter anderem Sky News, berichteten, dass Pence seine Kandidatur formell begonnen hatte stellte sich das rasch als falsch heraus. Pence tritt nun doch noch nicht an, das er es tun wird, ist aber trotzdem höchst wahrscheinlich. Diese falsche Ankündigung könnte ihn zwingen früh reinen Tisch zu machen. Nach Ex-Präsident Donald Trump, wäre Pence der zweite ernstzunehmende Kandidat der in den Ring steigen würde, viele weitere werden es den beiden Frühstartern gleichtun.
Bereits im November, kurz nach den Midterms, kündigte Trump in einer öffentlichkeitswirksamen Rede aus seinem Privatdomizil auf Mar-a-Lago seine Kandidatur für das Präsidentenamt an. Das geschah ungewöhnlich früh für einen ernstzunehmenden Kandidaten, da es fast schon Tradition ist, erst im Frühjahr nach den Midterms eine Präsidentschaftskampagne zu starten. Kritiker Trumps sahen die frühe Ankündigung als eine Verzweiflungstat des früheren Präsidenten. Er wollte damit, so die Kritiker, mögliche Gegner, wie den Gouverneur von Florida Ron DeSantis, bereits so früh wie möglich aus dem Rennen zu drängen. Erreichen wollte das, indem er schon jetzt alle mediale Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, da er weiß, dass er unter normalen Umständen die Vorwahlen nicht gewinnen wird. Trumps Rückhalt in der Republikanischen Partei ist weniger stark als früher. Seine handverlesenen Kandidaten in vielen Swing States verloren bei den Midterms ihre Wahlen. Trump wird von vielen in der Partei für die Midterms Niederlage (zumindest relativ zu den vorhergehenden Erwartungen) verantwortlich gemacht.
Kurzzeitig betrat am Montag Trumps erster richtiger Konkurrent die Bühne. Auch wenn noch nicht offiziell antritt lohn es sich ihn genauer anzuschauen, immerhin gehört er trotzdem zu den Mitfavoriten auf die Nominierung. Mike Pence war Vizepräsident unter Trump und lange Zeit einer seiner größten Verbündeten. Nach der Wahl 2020 verfeindeten sie sich. Pence hatte als Vizepräsident die Macht, die Wahlergebnisse nicht zu zertifizieren und somit Trumps Machterhalt zu sichern. Doch Pence widerstand den Forderungen des damaligen Präsidenten und zertifizierte die Wahl ordnungsgemäß, was ihn zur Hassfigur unter vielen Trump Anhänger macht (beim Sturm auf das Kapitol schrien viele „Hängt Mike Pence“). Auf den ersten Blick ist Mike Pence nicht besonders charismatisch und hat auch sonst nicht viele Charakteristiken eines zukünftigen Präsidenten, doch er hat noch eine Karte im Ärmel, mit der er Trump übertrumpfen könnte.
Mike Pence ist nämlich ein strenggläubiger evangelikaler Christ und macht öffentlich auch keinen Hehl daraus. Das geht gar so weit, dass er niemals mit einer anderen Frau als seiner eigenen Ehefrau alleine zu Abend essen würde. Auch politisch lässt er sich dem evangelikalen Flügel der Republikanischen Partei zuweisen. Er ist strengstens gegen Abtreibungen, die Ehe für alle (oder gar eingetragene Lebenspartnerschaften für Schwule) oder die Entkriminalisierung von Marihuana, weshalb er ein Liebling vieler evangelikaler Republikaner ist. Schon 2016 hat ihm diese Verbindung zu einem Sprung auf der politischen Leiter verholfen. Trump, der bisher keinen besonders christlichen Lebensstil verfolgt hatte, war besorgt um sein Ansehen bei Evangelikalen, weshalb er gerade Pence zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten machte. Beim evangelikalen Flügel der Partei könnte Pence Trump, der sich etwa zu Abtreibungsthema zuletzt bemerkenswert öffentlich zurückhielt, womöglich rechts überholen und für 2024 Konkurrenz machen.
Doch die Realität wird wohl anders aussehen. In Umfragen zu den republikanischen Vorwahlen liegt Pence meistens zwischen mageren sechs und acht Prozent auf einem abgeschlagenen dritten Platz. Ein viel gefährlicherer Herausforderer für Trump wird voraussichtlich Ron DeSantis, der Gouverneur Floridas. Seit den Midterms wurde er, ähnlich wie Trump, neu bewertet. Als einer der wenigen Republikaner bei diesen Wahlen konnte er einen echten Erfolg feiern. Er wurde nämlich mit fast 60 % (!) der Stimmen als Gouverneur wiedergewählt. Florida war bis vor kurzem noch ein äußerst umkämpfter Swing State. DeSantis selbst wurde 2018 mit nur 0,4 Prozent Vorsprung erstmals ins höchste Amt des Bundesstaates gewählt. Während Trump lächerliche NFT-Kartensammlungen veröffentlichte (und sich im Promotionvideo als besseren Präsidenten als Lincoln und Washington bezeichnete), war DeSantis mit realer Politik beschäftigt, und kündigte an, endlich Pharmakonzerne für ihre willentliche Täuschung der Öffentlichkeit im Falle der Coronaimpfungen zur Rechenschaft zu ziehen. In den letzten vier Jahren hat sich DeSantis für viele Republikaner als ein extrem effektiver Gouverneur erwiesen, was sein Erdrutschsieg im November nur bestätigt.
DeSantis selbst hat bisher noch an keinem Zeitpunkt auch nur das Interesse bekundet, Präsident werden zu wollen, doch mit jedem seiner Erfolge steigt die Wahrscheinlichkeit seiner Kandidatur. Vermutlich wird er sich an die Tradition halten, und im Frühjahr 2023 seine Kampagne starten. Im Sommer und Herbst werden dann die ersten Debatten zwischen den Kandidaten stattfinden. Im Februar 2024 werden die ersten richtigen Vorwahlen stattfinden. Bis dahin wird aber wird sich eine Menge verändert haben. Doch schon jetzt kann man versichert sein: Dank Donald Trumps Kandidatur werden diese Vorwahlen genauso unterhaltsam wie die in 2016.