Die konservative Hoffnung(slosigkeit)

Von Leon Hendryk | Deutschland im Jahre 2022. Die Energieversorgung steht am Rande des Zusammenbruchs, die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit 50 Jahren, der Russe droht mit Atomwaffen und man debattiert angeregt darüber, ob es neben Mann und Frau noch 64 andere Geschlechter gibt. Gleichzeitig wird das Land von einem Bundeskanzler regiert, der sich vor allem durch seine Entscheidungsscheue auszeichnet – ähnlich wie schon seine Vorgängerin. Zudem leidet er unter selektivem Gedächtnisverlust, insbesondere wenn es sich um seine Beteiligung an Steuervermeidungsaffären handelt.
Jetzt ist die große Frage: Wer kann uns aus dieser misslichen Lage befreien? Gibt es einen Ritter in strahlender Rüstung, der Deutschland wieder auf den Pfad zu Wohlstand, Sicherheit und Anstand zurückführen kann? „Ja“, sagen manche, „es handelt sich um Friedrich Merz, die konservative Hoffnung der CDU“! – aber das scheint doch eher hoffnungslos.
Eher Blechbüchse, also konservativer Ritter
Schon seit einigen Jahren wurde Merz immer wieder als „kompromissloser Konservativer“ präsentiert, der der CDU nach 16 Jahren Merkel endlich wieder ein schärferes Profil geben würde. Allerdings hatte er noch 2021 die Wahl um den CDU-Vorsitz gegen den Merkel-Zögling Armin Laschet verloren. Doch nachdem dieser bei der Bundestagswahl eine spektakuläre Wahlniederlage kassierte, machte Laschet den Weg frei für Merz. Anfang dieses Jahres übernahm dieser den Bundesvorsitz der CDU und wurde damit gleichzeitig auch zum Oppositionsführer.
Nun könnte man denken, dass der Job des Oppositionsführers in Anbetracht der, von innen- und außenpolitischen Krisen geschüttelten Ampelkoalition ein dankbarer wäre. Eine großartige Chance, um das Ruder in der CDU herumzureißen und zu echten konservativen Werten zurückzukehren! Doch dem ist nicht so. Merz, die „konservative Hoffnung“, entpuppt sich mehr und mehr als ganz und gar hoffnungsloser Fall. Wir werden im Folgenden einen Einblick in die Gedankenwelt des Friedrich Merz nehmen, anhand von Äußerungen, die er vor wenigen Tagen anlässlich des ARD-Sommerinterviews und einer darauf folgenden Zuschauer-Fragerunde tätigte.
Statt knallhartem Konservatismus findet man bei seinen Antworten jede Menge Inkonsequenz und Politikerphrasen, die jegliche Verbindlichkeit vermissen lassen, sobald ein Thema auch nur im Ansatz kontrovers ist. So befürwortet Merz einen temporären Streckbetrieb der deutschen Atomkraftwerke, da diese seiner Aussage nach „sicherer sind als alle anderen die wir zurzeit auf der Welt haben“. Trotzdem lehnt er im nächsten Satz einen längerfristigen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke strikt ab. Seltsam, wenn es sich doch um die sichersten Kraftwerke der Welt handelt. Auf die Frage ob er im Falle einer Regierungsbildung lieber mit der FDP oder den Grünen koalieren würde, verweigert er schlicht jegliche Auskunft. Und dies, obwohl die Antwort es für einen „konservativen Hardliner“ doch offensichtlich sein müsste. Angesprochen auf die von ihm unterstützte Frauenquote in der CDU sagt er zuerst, dass sie wichtig sei um die Partei jünger und weiblicher zu machen. Wenige Sekunden später schränkt er ein, dass es ja ohnehin keine „echte“ Frauenquote sei. Teilweise nimmt seine Aversion gegen klare Aussagen bizarre Züge an. Als man ihn zum Beispiel fragt, wie viele Geschlechter es gäbe, antwortet er kryptisch mit „mindestens zwei“.
Merz zeigt sich überraschend ehrlich
Doch an anderer Stelle ist Merz überraschend ehrlich: Auf das Verhältnis der CDU zur Republikanischen Partei in den USA angesprochen, sagt er: „Wir sind nicht die deutschen Konservativen und die Konservativen in Amerika sind nicht unsere Schwesterpartei.“ Während der zweite Teil dieser Aussage noch verständlich sein mag, kommt der erste doch recht unerwartet. Wenn die CDU sich selbst nicht als die deutsche Konservative sieht, wer ist es dann? Eigentlich bleibt nur die AfD, gegen die sich Merz aber, so wird er nicht müde zu betonen, strikt abgrenzt. Doch auch für Konservative in den eigenen Reihen hat er nicht viel Sympathie, was zu sehen ist als eine Frage über CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen gestellt wird. Dieser spielt laut Merz ohnehin „keine Rolle“ in der Partei. Zur Sicherheit grenzt er sich im nächsten Satz trotzdem noch einmal mantrahaft gegen „Rechts“ ab, man kann ja nie wissen.
Wenn man einmal von der erbärmlich wirkenden Abgrenzeritis absieht, hat Friedrich Merz an dieser Stelle ein offenes Geheimnis ausgesprochen: Die CDU ist tatsächlich nicht die Partei des deutschen Konservatismus. Und er ist definitiv nicht die „konservative Hoffnung“, als die er oft verkauft wurde. Überrascht sein sollte davon eigentlich niemand. Eine der höchsten Steuerbelastungen der Welt, ein übereilter Atomaustieg, eine dysfunktionale Bundeswehr, unkontrollierte Massenimmigration, die völlig verfehlte Euro-Politik sowie die Kapitulation auf so gut wie allen gesellschaftspolitischen Feldern sind die Bilanz von 16 Jahren CDU-geführter Regierungen. Als konservative Success-Story kann man das wohl eher nicht bezeichnen.
Mann ohne Format
Friedrich Merz hat offensichtlich nicht das Format, diese Entwicklung umzukehren. Stattdessen fördert er sie noch weiter, zum Beispiel mit der von ihm unterstützten Einführung einer Frauenquote in der CDU. Anstatt nach dem Motto „opposition is opportunity“ die Schwächen der Ampelkoalition aufzugreifen und eine konservative Alternative zu präsentieren, versucht die CDU noch immer zu einer Light-Version der Grünen zu werden. Statt im Sinne des Wortes conservare zu bewahren, versucht man sich auf Biegen und Brechen dem Zeitgeist anzubiedern. Für Konservative stellt sich daher eher ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit ein, wenn Merz als „konservative Hoffnung“ präsentiert wird.
Bild: Michael Lucan via Wikimedia Commons (Lizenz)
Blechbüchse ist gut 😄