Die Klimapolitik in Europa verweigert die Realität

Von Jonas Aston | Jede Handlung des Menschen, die nicht nur ihn selbst betrifft, zieht eine Kette von Ursache und Wirkung nach sich. Fast nie kann der Mensch das Ende und die (Neben-)Wirkungen seiner Handlungen überblicken. Hieraus kann Verantwortung resultieren. Unter verantwortungsvollem Handeln ist das richtige Handeln zu verstehen. Hier werden die Begriffe der Moral und der Vernunft gestreift, die sich wiederum in unterschiedlichen Kategorien bewegen. So ist vernünftig, was wahr und unvernünftig was falsch ist.
Die Moral bewegt sich hingegen in den Kategorien von Gut und Böse. Die Vorstellungen von moralischem und unmoralischem Verhalten werden zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen ganz anders bewertet. So wurde etwa Silvio Berlusconi vier mal Ministerpräsident Italiens, obwohl über zahlreiche Affären mit Prostituierten berichtet wurde. In Japan gilt hingegen seit 1958 ein Prostituierungsverbot. Dort hätte Berlusconi kaum politische Karriere machen können. Als herauskam, dass auch Minderjährige an Berlusconis Eskapaden beteiligt waren, stieg er in der Gunst der Italiener plötzlich ab. Im alten Griechenland wäre das wiederum kein Problem gewesen. Sokrates fiel dem Schierlingsbecher ja nicht wegen Knabenliebe, sondern aufgrund seiner Philosophie, welche die politische Ordnung in Athen in Frage stellte, zum Opfer. Luther erging es ähnlich, wurde er doch aufgrund seiner 95 Thesen und nicht wegen seiner antisemitischen Schriften für vogelfrei erklärt. Die Maßstäbe für Gut und Böse haben keinen unumstößlichen Charakter. Auch die Tragik eines jeden Dramas, ob in Realität oder in Literatur handelt davon, dass das Gute gewollt aber letztlich das Böse bezweckt wird.
Dieser Gegensatz wird von Max Weber aufgegriffen. Ihm zufolge ist es „ein abgrundtiefer Gegensatz, ob man unter der gesinnungsethischen Maxime handelt – religiös geredet – „der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim“ –, oder unter der verantwortungsethischen, dass man für die (voraussehbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat“. Nach Weber kann kein ethisch guter Zweck mit ethisch gefährlichen Mitteln geheiligt werden. In der Frage, wie in Europa gegen den Klimawandel vorzugehen ist, sollten somit nicht ersten Impulsen und edlen Gefühlen nachgegangen werden. Alle Maßnahmen, die auf einen Wandel unserer aktuellen Lebensumstände zielen, müssen sorgfältig abgewogen, Umsetzbarkeit und Folgen berücksichtigt werden.
Die Welt heute ist im positiven, wie auch im negativen Sinne nur so, weil es Europa gab. Mit der von Europa ausgehenden technisch-wissenschaftlichen Revolution, der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Indien begann eine beispiellose Ausbreitung der Europäer. Dies begründete seine 500 Jahre währende kulturelle und wirtschaftliche Vorherrschaft. Ohne Europa wäre der Aufstieg der USA zur Weltmacht unmöglich gewesen. Als ebenso undenkbar stellt sich die Meiji-Restauration in Japan dar. Dem heutigen Weltbild der Chinesen würde die marxistische und kapitalistische Komponente fehlen. Auch der Anstieg von 450 Millionen auf inzwischen rund 8 Milliarden Menschen und der Rückgang der Sterblichkeit hätte ohne europäische Technologie auch nicht stattgefunden. Doch wo Segen ist, ist auch Fluch. Die Ureinwohner in Amerika verloren ihr Land. In China hätte es die Schreckensherrschaft von Mao und in Japan den Faschismus nicht gegeben und über den Klimawandel müssten wir uns heute auch keine Gedanken machen.
China, Indien und der afrikanische Kontinent wollen nun zu dem westlichen Wohlstand aufschließen und werden damit auch mehr Treibhausgase ausstoßen. Diese Entwiclung ist völlig unvermeidlich. Prinzipiell könnten die Co2-Emissionen durch einen globalen Zertifikatehandel, bei dem die Zertifikate jährlich um einen bestimmten Prozentsatz verringert werden, wirksam bekämpft werden. Es ist jedoch utopisch, den Volkswirtschaften aller Länder ein solches System überzustülpen. Am Ende macht die Macht das Gesetz, um es mit Thomas Hobbes zu sagen. Die Nationen der Welt stehen in einem Konkurrenzverhältnis und haben eigene Interessen. Die Nationen der Welt werden ihrer Wirtschaft und nicht irgendwelchen Klimazielen den Vorrang erteilen.
Wenn Europa die Treibhausgase senken möchte, wäre es grundsätzlich falsch dies über Regulierungen und Zwang tun zu wollen. Ganz im Gegenteil: Europa kann an ganz anderer Stelle mit Hilfe des verantwortungsethischen Grundsatzes tätig werden und auf Innovation setzen. Der Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt bemerkte, „dass eine Zukunft ohne Überraschungen das Überraschendste wäre, was uns passieren kann“. Die einzige Konstante ist der Wandel. Die Zukunft kann nicht durch die lineare Fortschreibung von Trends vorhergesagt werden. Zukunft kann daher auch nicht geplant werden, wie Darwins Evolutionstheorie zeigt. Die Erfindung des Rads war sicherlich nicht Folge einer Versammlung von Dorfältesten, die beschlossen, die Mobilität ihrer Bürger zu erhöhen. Ebenso wenig hat Nikolaus August Otto den Verbrennungsmotor auf Befehl von Reichskanzler Bismarck entwickelt. Wohl aber wurde er angetrieben von einem geistigen Klima des Aufbruchs.
Europa sollte auf die inneren Antriebskräfte seiner Bürger setzen. Um es mit Schiller zu sagen: „Die Welt wird alt und wird wieder jung, doch der Mensch hofft immer auf Verbesserung“!