Die Grünen und ihr dystopischer Traum vom Ende des Wachstums

Von Jonas Aston | „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, das wusste schon Mark Twain. Der Bericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“ erschien vor 50 Jahren und markiert die Geburtsstunde der Umweltbewegung. Der Club of Rome machte auf die Endlichkeit aller Ressourcen aufmerksam und befürchtete den Kollaps der Weltwirtschaft, wenn das Wirtschaftswachstum nicht gestoppt wird. Der Club of Rome ging das Wagnis der Prognose ein und scheiterte grandios. Die weltweiten Ölbestände sollten bis 1990, die Erdgasbestände bis 1992 verbraucht sein. Heute übertreffen die Bestände beider Bodenschätze die von 1970 bei weitem. Metalle wie Zink, Zinn, Wolfram, Aluminium, Kupfer, Gold, Blei und Quecksilber sollten bis spätestens 2013 erschöpft sein. Auch war zu lesen, dass das BIP pro Kopf bis 2000 in Japan doppelt so hoch wie in den Vereinigten Staaten sei. Das BIP der Sowjetunion sollte das der Bundesrepublik überholen und die Volksrepublik China sei – nicht etwa auf drauf und dran die Weltwirtschaft umzukrempeln – sondern noch immer ein armer Agrarstaat. 

Prognosen hängen stets einige Paradoxien an. Sie können sich selbst widerlegen, weil die Menschen in Kenntnis der Prognose anders handeln. Prognosen können aber auch zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Zum Beispiel animieren Prognosen über steigende Inflationsraten einen höheren Verkaufspreis beziehungsweise. ein höheres Gehalt einzufordern. So entsteht schnell eine Lohn- Preisspirale, die oft nur durch hohen Kraftaufwand durchbrochen werden kann. Prognosen sind Extrapolationen von Trends. Es gibt jedoch nach Joseph A. Schumpeter „die grundsätzliche Unmöglichkeit der Extrapolation des Trends“. Das heißt: Durch die schlichte mathematische bzw. lineare Fortschreibung eines in der Vergangenheit festgestelltem Wachstum kann die Zukunft nicht prognostiziert werden. Dies gelte insbesondere im „wirtschaftlichen Fall“. 

Bei längerfristigen Prognosen ist das Problem noch grundsätzlicher. Schumpeter unterscheidet hier zwischen Wachstum und Entwicklung. Entwicklung ist die Entstehung von neuem. Neues zu prognostizieren ist jedoch eine Anmaßung von Wissen und setzt die Absurdität voraus, das Neue zu kennen, bevor das Neue überhaupt entstanden ist. Auch John Maynard Keynes: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass menschliche Entscheidungen die Zukunft beeinflussen, ob es persönliche, politische oder ökonomische sind. Und diese Entscheidungen sind keine mathematisch berechenbaren Erwartungen, da es keine Grundlage gibt, die solche Berechnungen möglich machen.“ Trends können beschrieben werden, haben aber nur eine eingeschränkte Aussagekraft, da sie von Bedingungen abhängen, die sich jederzeit ändern können.

Gottfried Wilhelm Leibniz war der erste der erklärte, dass sich sowohl die physikalische als auch die geistige Welt durch stete „Verwandlung“ auszeichnen. Die Vorstellung eines „Wandels“ konnte im abendländischen Denken schon im späten 17. Und frühen 18. Jahrhundert Fuß fassen. In gewisser Weise nahm Leibniz damit Darwins Begründung der Evolutionstheorie vorweg.  

Die Entstehung und Entwicklung des Menschen ist keinem Schöpfer zu verdanken. Aus diesem Grund ist der Mensch auch nicht vollkommen. Die Evolution des Menschen – wie auch der Natur und des Lebens als solches – erfolgte wildwüchsig. Ordnung ergab sich durch die natürliche Selektion, die alles abstieß, was dem Selektionsdruck nicht standhielt. Überleben konnte nur derjenige, der an die natürlichen Umstände gut angepasst war und wandlungsfähig war, um sich auch an geänderte Umstände anzupassen. Ebenso wurde Kultur und Zivilisation nicht von oben „kreiert“, sondern entwickelte sich pfadlos und spontan ganz ohne Wegweiser oder Plan aus sich heraus. 

Die Sprache als Kommunikationswerkzeug entstand nicht, weil ein Stammesführer seinen Stamm anwies sich mit Lauten zu verständigen. Die Erfindung des Rads war sicherlich nicht Folge einer Versammlung von Dorfversammlung, auf der beschlossen wurde, die Mobilität ihrer Bürger zu erhöhen. Ebenso wenig hat Nikolaus August Otto den Verbrennungsmotor auf Befehl von Reichskanzler Bismarck entwickelt. Wohl aber wurde er angetrieben von einem geistigen Klima des Aufbruchs. In „Über die Freiheit“ schreibt John Stuart Mill: „Die menschliche Natur ist keine Maschine, die nach einem Modell gebaut wird und die eine genau vorgeschriebene Arbeit verrichten kann; sie gleicht vielmehr einem Baum, der wachsen und sich nach allen Seiten ausbreiten möchte“. 

Wachsen und nach allen Seiten ausbreiten, ist jedoch genau das, was Grüne verbieten wollen, nur sagen sie das oftmals nicht deutlich. Zum Glück ist nun jedoch ein neues Buch von Ulrike Herrmann mit dem Titel Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden“, erschienen. Herrmann ist Wirtschaftsexpertin der taz und außerdem Mitglied bei den Grünen. In ihrem „Werk“ macht sie den gleichen Fehler wie der Club of Rome und glaubt basierend auf einigen Prognosen nun Forderungen nicht nur nach dem Ende des Wachstums stellen zu müssen. Herrmann möchte die Wirtschaft schrumpfen. Damit hängt sie einer totalitären Ideologie an. 

Die Wirtschaftsleistung ist stets ein Ergebnis aus der eingesetzten Arbeitsmenge (abhängig von Zahl und Arbeitszeit der Erwerbstätigen) und ihrer Produktivität. Die Wirtschaftsleistung kann (vereinfacht) folglich nur dann wachsen, wenn die eingesetzte Arbeitskraft oder die Arbeitsproduktivität erhöht wird. Produktivitätszuwächse ergeben sich aus dem menschlichen Erfindergeist. Wirtschaftswachstum wird also unvermeidlich dann entstehen, wenn mehr Menschen einer bezahlten Arbeit nachgehen, wenn Erwerbstätige ihre Arbeitszeit verlängern oder wenn durch menschliche Erfindung neue Produkte entwickelt oder Produktionsmethoden vereinfacht werden.. Auch dies ist jedoch nur teilweise richtig. Fakt ist, dass bei steigender Nachfrage steigende Preise registriert werden. Der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ ist nichts weniger als ein Plädoyer für die geschlossene Gesellschaft. Grundlage für eine offene Gesellschaft ist ihre Ergebnisoffenheit, das ewige Spiel von Versuch und Irrtum. 

Wer Wirtschaftswachstum verhindern will, wird nicht umhinkommen, die Bürger zu zwingen entweder weniger zu arbeiten oder weniger zu erfinden. Dies würde massive Eingriffe in die individuelle Handlungsfreiheit bedeuten. Ein Versuch ihrer Umsetzung würde auf ein totalitäres System hinauslaufen. Nach außen müsste der Staat hermeneutisch abgeriegelt werden, damit Innovation nicht durch das Ausland in den Staat dringen können. Nach innen müsste die Wirtschaft geplant werden, um die Arbeitsmenge zu kontrollieren und Erfindungen zu unterbinden. Der Versuch ein solches System zu errichten würde scheitern. Es ist wider der menschlichen Neugier, wider seinem Erwerbstrieb, wider seiner menschlichen Natur. Das Wirtschaftswachstum kann nicht einfach ausgeschaltet werden. Dem Erfindergeist des Menschen kann kein Staat und keine Obrigkeit Grenzen setzten. Grenzen setzen kann dem Menschen nur sein Geist und dieser ist unbegrenzt.