Die Freuden der Quarantäne

Von Leopold Vogt | Letzten Freitag war es endlich soweit, als um 9:00 Uhr morgens Ministerpräsident  Söder das Unvermeidbare (zumindest aus Sicht mancher Schüler) verkündete, dass ab Montag alle Schulen im Freistaat geschlossen werden. Fast mit Tränen in den Augen nahm ich diese Nachricht entgegen, als hätte mir jemand 10.000 € geschenkt – dass ich so etwas nochmal erleben darf!

 

Und so geschah es: obwohl zwar die Englischlehrerin etwas ungehalten war (wegen der ausfallenden Unterrichtszeit genauso wie wegen meiner schwer zu versteckenden Freude), genossen wir unseren letzten Schultag bis voraussichtlich Mitte April.

Während meine Schule uns Hitzefrei bisher genauso verweigert hatte wie die in Bayern zulässigen Brückentage, hat unser Ministerpräsident endlich durchgesetzt, was in der “Vorstufe zum Paradies” (Zitat Horst Seehofer) schon lange hätte passieren müssen. Zwei Wochen Osterferien sind halt einfach zu kurz, speziell wenn danach ein Abitur anklopft und sie damit die letzten Osterferien meines Lebens sind (wenn nichts schiefgeht). Und allgemein nutzt man die Ferien natürlich hauptsächlich zum Lernen, nicht zum Ausruhen oder Faulenzen…

 

So sitze ich jetzt jedenfalls in meinem Zimmer, höre die Vögel durchs Fenster zwitschern und genieße die Ruhe, die in unserem süddeutschen Dorf mit Weltstadtambitionen plötzlich herrscht – Corona sei Dank. Plötzlich waren die örtlichen Großprojekte vergessen, wie die ach so nötige Autobahnauffahrt, weil die beiden Auffahrten in je 3 km Entfernung natürlich niemals ausreichend wären.

Nein, jetzt herrschte der Ernst des Lebens: welcher Laden hatt noch Klopapier? Edeka? – Nein, Aldi? – Vielleicht, und zack! war der Laden rammelvoll (und die Regale leer). Das waren die realen Sorgen der Menschen, so kann ein Bayer auch noch erahnen, wie das mit den Bananen in der DDR wohl gewesen sein muss – das waren noch echte Probleme!

Da verblassten die anderen Sorgen ganz plötzlich. Dass wir eigentlich zum Skifahren wollten, die Skigebiete aber dicht machten – vergessen. Bei der Hitze heute macht die Kettensäge eh mehr Spaß als das Skifahren im Sulzschnee, und das Motorsägensortiment steht im Regal just neben den Skisachen.

Zum Glück gibt es noch keine Sägesperre wegen Corona, das einzige mit dem man sich dabei jetzt ansteckt wäre eh nur eine Pollen- oder eine Staublunge. Aber egal, der Garten ist noch bewaldet und wo ein Wald ist, ist auch ein Holzfäller nicht weit – und wenn der auch nur ich bin mit meiner für den Garten hoffnungslos überdimensionierten Profisäge. Einer Profisäge, die gefühlt in der Minute mehr Sprit braucht als ein ganzer Skiausflug nach Südtirol. Dafür ist sie aber auch nicht so infektiös.

 

Nur ein Detail verhindert noch die völlige Entspannung: Die Idee der Schulleitung (die den Schülern eher die selben Aufgaben fünfmal aufgeben würde als ihnen drei Tage Entspannung zu gönnen), die Schüler via Internet per Tele-schooling zu unterrichten. Hierzu wurde sogar ein Expresslehrgang direkt am Montag für die Lehrer organisiert.

Dieser Lehrgang, der den Lehrern wohl sogar etwas vermittelt hat, bereitete der völligen Entspannung dann auch ein jähes Ende, punkt vier Uhr trudelten die ersten Aufgaben für die Woche ein. Selbst die letzte Hoffnung, auf den dauerhaften Zusammenbruch des verantwortlichen Servers aus der Hölle blieb unerfüllt. Und so sitze ich jetzt doch an meinem Schreibtisch und prokrastiniere, in der Hoffnung, die Arbeiten könnten sich noch in Luft auflösen. Aber es hilft nichts. Die Arbeit ist zu machen und sie wird nicht weniger.

Jedenfalls hätten wir ja jetzt Zeit dazu, wäre da nicht dieser Strauch Haselnüsse, der noch unbedingt weg muss – schließlich habe ich das Zweitaktbenzin nicht umsonst gebunkert, als alle anderen im Laden nur an Klopapier und Nudeln dachten. Aber die breite Masse vergisst halt immer das Wichtigste beim Hamstern.

Ach ja, mit dem Abitur war ja auch noch was, aber das ist ja jetzt eh verschoben. Vielleicht wird es ja auch noch einmal verschoben, dann vielleicht auf Frühjahr 2021, könnte wirklich schlimmer laufen…

Übrigens, liebe Kultusminister, würden wir Schüler das Abitur auch so entgegennehmen, die zwölf Jahre in der Schule werden schon reichen. Wenn die Schüler anderer Bundesländer das Abitur wirklich so hinterhergeworfen bekommen, wie alle hier meinen, dann sollten wir bayrische Abiturienten das doch eh locker hinkriegen – dann können sie sich die Prüfung (Infektionsrisiko!) doch auch locker sparen. Schicken sie jedem Schüler das Zeugnis zu, als Note verwenden sie einfach den Durchschnitt aus den drei Halbjahren die schon abgeschlossen sind (wenn sie wollen auch noch die Noten aus diesem halben Halbjahr, also die, die schon da sind). Ich bin mir sicher, niemand beschwert sich darüber – und wer sich das doch traut, ist dann eben ein Nazi oder so – ganz einfach!

Dann brauchen sie keine Abiprüfungen mehr erstellen lassen (Steuergelder einsparen), es geht gerechter zu (weil keiner mehr durchfliegt) und alle sind glücklich.

3 Antworten

  1. Thorben Meyer sagt:

    Bei unserer Bildungseinrichtung war man schneller und wir lernen das Programmieren jetzt schon online (gut bei uns war das Lehrpersonal auch natürlich von Anfang an mehr im Thema)

  2. Max Media sagt:

    „Aber egal, der Garten ist noch bewaldet und wo ein Wald ist, ist auch ein Holzfäller nicht weit – und wenn der auch nur ich bin mit meiner für den Garten hoffnungslos überdimensionierten Profisäge. Einer Profisäge, die gefühlt in der Minute mehr Sprit braucht als ein ganzer Skiausflug nach Südtirol. Dafür ist sie aber auch nicht so infektiös.“

    Ganz hervorragend geschrieben, ich habe gut gelacht 🙂
    Schön, dass junge Menschen auch noch Spaß an körperlicher Arbeit im Garten haben
    können! Geniessen sie ihre „Zwischen-dem-Abi-säge-Zeit“ 🙂

  1. 19. März 2020

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