Die Causa Kahrs: Fällt Cum-Ex dem Kanzler nun doch auf die Füße?
Von Jonas Kürsch | Wird der Cum-Ex-Skandal, der noch aus seinen Tagen als Hamburger Oberbürgermeister stammt, Bundeskanzler Scholz (SPD) jetzt vielleicht doch noch zum Verhängnis? Die jüngsten Erkenntnisse aus den vergangenen Wochen und Monaten ans Tageslicht, erwecken inzwischen große Zweifel an den Aussagen des Kanzlers. Dieser gibt sich weiterhin als unnahbar, versucht die alten und neuen Vorwürfe mit seinem schelmischen Grinsen weg zu lächeln. Viele Rechtsexperten vermuten jedoch, dass das explosive Bankschließfach des Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs nun vielleicht doch zum Sturz der Regierung Scholz führen könnte.
Was sind Cum-Ex-Geschäfte?
Bei den Hamburger Cum-Ex-Geschäften handelt es sich um illegale Steuerrückerstattungen von Bankiers, Top-Anwälten und sonstigen hohen Tieren, die in großen Wirtschafts- und Finanzunternehmen angestellt waren. Dabei wurden Steuern durch den Staat zurückerstattet, die der Fiskus nie erhoben hatte. Dadurch bereicherten sich mehrere Banken mit unlauteren Methoden an deutschen Staatsgeldern.
So war es auch im Rahmen des großen Skandals um die Warburg Bank geschehen. Das Unternehmen konnte seit etwa 2009 mehr als 47 Millionen Euro durch Cum-Ex-Geschäfte erbeuten, die im Jahr 2016 durch das Hamburger Finanzamt zuerst ordnungsgemäß zurückgefordert wurden. Noch vor Ende des Jahres leiteten die Behörden allerdings eine kaum nachvollziehbare 180-Grad-Wende ein: man verzichtete plötzlich auf die Rückzahlungen aufgrund „juristischer Bedenken“. Nach dem Bekanntwerden der skurrilen Vorgehensweise des Finanzamtes forderte das Landgericht Bonn im Jahr 2019 die Bank zur Rückzahlung der Gelder auf, was dann auch recht schnell geschehen ist. Der Aufsichtsrat der Warburg Bank distanzierte sich von jedweder unrechtmäßigen Steuergestaltung und beteuerte die juristische Professionalität des Unternehmens.
Trotz der Rückzahlungen nahm die Staatsanwaltschaft Köln letztlich die Ermittlungen auf. Mehrere Hausdurchsuchungen und Razzien verhalfen den Ermittlern zur Untersuchung wichtiger Dokumente. Vor allem die Tagebücher des Warburg-Eigentümers Christian Olearius enthielten brisante Details, die den Verdacht auf einen politischen Korruptionskomplex im Hamburger Senat wachsen ließen. Unter anderem enthielten seine Niederschriften sensible Details über mehrere Treffen mit einflussreichen SPD Regierungspolitikern, darunter auch der ehemalige Innensenator Alfons Pawelczyk und der aus der Öffentlichkeit zurückgezogene Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs.
Olearius belegte zudem drei Gespräche mit dem damals noch amtierenden Bürgermeister Olaf Scholz, in denen die beiden ausführlich über Cum-Ex gesprochen haben sollen. Außerdem soll Scholz dem Warburg-Funktionär in einem Telefonat dazu geraten haben, eine Verteidigungsschrift an den damaligen Finanzsenator (und heutigen Hamburger Bürgermeister) Peter Tschentscher weiterzuleiten.
Scholz mimt den Vergesslichen
In diversen Ausschusssitzungen, Aufklärungsbefragungen und Journalisteninterviews beteuerte Scholz, dass er an den Geschehnissen unbeteiligt sei. „Ich habe keine detaillierte Erinnerung“ ist zu einem seiner Standardsätze geworden. Schon im Wirecard Ausschuss plädierte Scholz mit bizarren Statements auf seine Unschuld. So könne er betreffende SMS und Emails nicht mehr vorlegen, da er sie ordnungsgemäß nach dem Empfang wieder gelöscht habe. Bislang wurden Bundeskanzler Scholz und Bürgermeister Tschentscher auch von den Justizbehörden noch nicht als Verdachtsfälle in der Warburg Affäre eingestuft. Erst vor wenigen Tagen erklärte die Generalstaatsanwaltschaft, es gebe bislang keine Indizien für ein schwerwiegendes Fehlverhalten des heutigen Kanzlers. Die Beschwerde des Rechtsanwalts Gerhard Strate, die Rechtsinstitutionen würden sich der Ermittlung verweigern, wies die Staatsanwaltschaft zurück.
Eine neue Spur könnte nun aber die fehlenden Indizien bringen: zu Beginn dieses Monats wurde im Rahmen der Durchsuchungen bei Johannes Kahrs ein dubioses Bankschließfach entdeckt, in dem der ehemalige SPD-Politiker mehr als 200.000 Euro lagerte. Sollte nun zwischen dem ungewöhnlichen Fund und den unzähligen Treffen mit Olearius eine Verbindung bestehen, könnten die Ermittlungen doch auf einen möglichen Beleg für die politische Einflussnahme der SPD-Spitzenpolitiker hinweisen. Die Affäre könnte sich dann recht schnell zu einem unkontrollierbaren Hindernis für Scholz entwickeln und den Fortbestand seiner Kanzlerschaft in ernsthafte Gefahr bringen.
Scholz sagt abermals vor Untersuchungsausschuss aus
Am vergangenen Freitag musste sich der Bundeskanzler erneut zu den Geschehnissen in Hamburg vor dem parlamentarischem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses äußern. Erst vor zwei Tagen war das elektronische Postfach seiner Büroleiterin beschlagnahmt worden. Inzwischen hat die Kölner Staatsanwaltschaft eine Reihe von auffälligen Nachrichten und Emails entdeckt, eine davon wird als verdächtig eingestuft. Scholz’ Erinnerungsvermögen bleibt dennoch vernebelt. Es wird sich in den kommenden Wochen zeigen, ob die Aussagen des Bundeskanzlers wirklich Bestand haben oder ob sein persönlicher Einfluss auf den Hamburger Korruptionskomplex doch größer ist als zunächst behauptet wurde.