Deutsche Universitäten: Zurück in die DDR?

Von Marius Marx | Seit nun gut zwei Jahren bin ich Student an einer deutschen Universität. Dort wurde mir zwar recht schnell bewusst, dass ich unter meinen Kommilitonen mit meinem politischen Weltbild recht alleine dastehe. Dennoch gab ich mich aufgrund der Tatsache, dass während der Pandemie auch die politische Agitation in Form von Plakaten, Flyern, Veranstaltungen, Vorträgen und Kundgebungen auf ein Mindestmaß zurückgefahren wurde, der Illusion hin, dass zumindest linksextreme Einstellungen nur von einer verschwindend geringen Zahl an Studenten geteilt würden. Was für ein Trugschluss.

Nun, da das Leben auf dem Campus wieder erwacht ist, in den Seminaren wieder angeregt diskutiert wird, in Bibliotheken wieder Bücher studiert und in Cafés und Mensen wieder gegessen und geschwatzt wird, erleben auch allerlei politische Events eine regelrechte Renaissance. Und diese haben die letzten Zweifel ausgeräumt.l In aller Deutlichkeit muss man konstatieren: Universitäten sind hierzulande zu links(radikalen) Indoktrinationsanstalten verkommen. Deutlich zutreffender als der Begriff der „Universität“ – den ich zumindest noch mit humanistischer Bildung, aufgeklärten und kritischem Denken und wissenschaftlichem Fortschritt assoziiere – wäre für diese Institutionen derjenige einer sozialistischen Kaderschule. Und das ist beileibe keine Übertreibung.

Schaut man sich bspw. einmal die Zusammensetzung von Studentenausschüssen oder -parlamenten an, kommt man nicht umhin eine dezidierte Verschiebung des politischen Spektrums nach links festzustellen. Klammert man sich selbst als „unpolitisch“ charakterisierende Gruppen aus, kommen die links-grünen Hochschulgruppen an meiner Universität so auf mehr als drei Viertel der Sitze im Allgemeinen Studierendenausschuss (kurz AStA). Beispielhaft für diesen politischen Zustand deutscher Universitätsstädte steht auch das Ergebnis der erst wenige Wochen zurückliegenden niedersächsischen Landtagswahl. Schaut man sich eine Übersichtskarte mit den Wahlsiegern in allen niedersächsischen Wahlkreisen an, fallen dem geneigten Beobachter bei genauerem Hinsehen mitunter zwei kleine grüne Inseln in einem ansonsten rot-schwarzen Meer auf. Bei diesen zwei grünen Flecken handelt es sich um Hannover und Göttingen und damit um eben diejenigen Städte mit den niedersachsenweit größten Universitäten. In beiden Städten erhielten die Grünen jeweils über 30% der Stimmen.

Wie man so schön geflügelt sagt, sind Prognosen zwar schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber dennoch: wenn wir einmal so vermessen und frei sind und diese Entwicklung gedanklich und demographisch weiterspinnen, kann man sich unschwer vorstellen, welche Parteien in Deutschland zukünftig womöglich eine dominierende Rolle spielen werden. Jahr für Jahr könnten wir uns dann einem System nähern, dass sich in Sachen individueller Freiheit vielleicht noch mit China und Russland messen kann und es in Sachen Wohlstand gerade noch mit Venezuela aufnehmen kann. 

Davon, dass gegenwärtig an Universitäten eine Generation herangezogen wird, die nahezu alles ablehnt, auf dem unser Wohlstand, unsere Freiheit und Fortschritt beruhen, kann man sich im Grunde tagtäglich von neuem überzeugen. Jeweils in den Tagen vor dem Beginn des Wintersemesters findet an meiner Uni eine sogenannte Orientierungsphase statt. Diese Einführungswoche für die Erstsemester-Studenten ist mit einer Reihe von Veranstaltungen gespickt, die ihnen die digitalen Anwendungen der Uni, die Stundenplanerstellung, die Module und weitere solche Formalien näherbringen sollen. Im Wesentlichen dient diese Orientierungswoche den 18 bis 19-Jährigen Neuankömmlingen, die seit kurzem das Abitur in der Tasche haben, frisch von zu Hause ausgezogen sind und die nun zunächst im wahrsten Sinne des Wortes gänzlich auf sich alleine gestellt sind, allerdings dem Knüpfen erster sozialer Kontakte und dem Kennenlernen ihrer Kommilitonen.

In dieses soziale Vakuum zu Beginn des Studiums, wo viele Studenten noch nicht recht in ihrer neuen Heimat angekommen sind, stoßen nun eine Reihe gemäßigt linker bis kommunistischer Organisationen, indem sie beinahe die Einzigen sind, die den „Erstis“ soziale Interaktion und Integration anzubieten vermögen. Auf diese Weise bilden die Studienanfänger einen großen Rekrutierungspool für die örtliche Antifa und sonstige Gruppen aus diesem Milieu. Bereits in den ersten Wochen werden damit eine Reihe politisch unbedarfter Erstsemester “einkassiert”, politisch eingenordet und mangels ernstzunehmender Alternativen dauerhaft an solche Gruppierungen gebunden. Besonders erschreckend dabei ist, dass all das vom hiesigen AStA, der ja die politische Vertretung aller Studenten und das oberste Gremium der studentischen Selbstverwaltung darstellen soll, tatkräftig unterstützt und gefördert wird.

So teilte der AStA bspw. an tausende neue Studenten Begrüßungsbeutel mit aufgedrucktem Rosa Luxemburg Zitat und mehr als zweifelhaftem Inhalt aus. Neben halbwegs gemäßigten Zeitschriftenausgaben bekamen die Studenten hier Flyer mit Zugangslinks zum Telegram-Chat der örtlichen Antifa, ein Din-A4 großes Flugblatt von „Redical [M]“, eine „kommunistische und antinationale Gruppe“, die sich seit 2004 „kritisch mit dem Kapitalismus innewohnenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen“ auseinandersetzt. Am Ende dieses Blättchens wurde gefragt: „Hast du auch Lust, dich zu organisieren und dem kapitalistischen, patriarchalen Status quo eine starkem [sic] kommunistische Perspektive entgegen zu setzen?“ Und als wäre das noch nicht abenteuerlich genug, fanden die Erstsemester dann noch jeweils drei „Sammelkarten“ in ihrem Beutel, mit dem sie ein Poster kommunistischer Denker vervollständigen konnten. Darunter waren unter anderem Karl Marx, Rosa Luxemburg und Alexandra Kollontai. Die kleinen an Panini-Fußballsticker erinnernden Kärtchen enthielten neben dem Konterfei der jeweiligen Person zusätzlich auch ein ausgewähltes Zitat. „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – Ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus“ oder „Die Arbeiter haben kein Vaterland“ war da beispielsweise zu lesen. Neben diesen kommunistischen Accessoires befand sich in diesem offiziellen Ersti-Beutel zudem ein Heftchen, das die sogenannte „Alternative O-Phase“ bewarb. Dabei handelt es sich um eine parallel zur von der Uni durchgeführte Orientierungsphase, die sich aber nicht nur an Erstsemester richtet und im Wesentlichen aus einem bunten Sammelsurium von Veranstaltungen linker Organisationen aufbaut. 

Während dieser Alternativen O-Phase konnten sich Studenten so im Rahmen eines Vortrags zu lokalen Akteuren der 68er Bewegung geschichtsrevisionistische und kritiklose Ausführungen zu Mao, Lenin und Stalin anhören, an „anarchistischen Spieleabenden“ teilnehmen, unter 1G+ Bedingungen feiern gehen, dem „Einstiegsabend des BIPoC-Kollektivs“ unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rassismus und Imperialismus!“ beiwohnen oder Marxismus-Workshops besuchen. Durchgeführt und organisiert wurden diese Veranstaltungen unter anderem von der kommunistischen „Redical [M]“, dem „Antifaschistischen Bildungszentrum“, der „Sozialistischen Perspektive“, der „basisdemokratischen Linken“, der „Aktion Queer und Trans“, dem „Bündnis für offene Grenzen“ oder den Klimaaktivisten von „Ende Gelände“.

All das passiert keineswegs in irgendwelchen Nischen oder Hinterzimmern. Nein, ganz im Gegenteil. Die Plakate hängen in jedem Flur, an jeder freien Säule und an jeder Straßenlaterne. Die entsprechenden Flyer liegen überall aus, der AStA bewirbt öffentlich sämtliche Veranstaltungen, für die die Universität gerne ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Längst dominieren sozialistische Ideale heute die Atmosphäre und die Debatten an Universitäten. Der Versuch, auf einem deutschen Universitätscampus Befürworter von freier Marktwirtschaft und Individualismus ausfindig machen zu wollen, ist heutzutage nahezu aussichtslos. In meinen zwei Jahren ist mir bislang zumindest niemand begegnet. Denker wie Popper sind allgemein in Vergessenheit geraten, die Namen Mises und Hayek sind Fremdwörter. Stattdessen ist Foucault en Vogue, Luxemburg beliebt und der Marxismus populärer als in der DDR.

Wenn man ehrlich ist, muss man deshalb resümieren: Von und aus deutschen Universitäten ist unter diesen Vorzeichen nicht mehr viel zu erwarten. Jedenfalls nichts substanzielles, kein wissenschaftlicher Fortschritt mehr. Sie sind Brutstätten illiberaler Ideologien und Zukunftsfantasien, Brutstätte von Straßenklebern, Kunst-Beschmutzern und Hörsaal-Besetztern. So besetzte  am ersten Tag des neuen Semesters ein Zusammenschluss von Akteuren von Fridays for Future und Extinction Rebellion unter dem Namen “End Fossil Occupy” im Anschluss an einen Vortrag des Kriminalbiologen Mark Benecke zu Auswirkungen des Klimawandels den größten Hörsaal der Universität. Diese Besetzung wurde die gesamte Woche aufrechterhalten. Und statt sich dieser ernsthaft entgegenzustellen, gab die Uni klein bei, baute im Foyer des Hörsaalgebäudes gar einen improvisierten Hörsaal auf und hielt mit den Aktivisten eine Podiumsdiskussion ab.

Die Besatzer veranstalteten während der Woche munter und unbehelligt ihr eigenes Programm und beendeten ihre Besetzung erst als das Gebäude für eine der großen und legendären ZHG-Partys in Beschlag genommen wurde. Doch das ist erst der Anfang: Für die Zeit zwischen September und Dezember 2022 wurden so die Besetzungen von weltweit mehreren hundert Schulen und Unis angekündigt. Neben den üblichen Forderungen nach mehr und schnellerem Klimaschutz sowie nach Enteignungen und Vergesellschaftungen bestimmter Industriezweige fordern diese selbsternannten Klimagerechtigkeits-Aktivisten unter anderem auch die Einführung verpflichtend – von jedem Studenten unabhängig seines Studiengangs – zu besuchenden Lehrveranstaltungen zur “Bewältigung der Sozial-Ökologischen Transformation” sowie zu “gesellschaftlichen und naturwissenschaftlichen Aspekten der Klimakrise”. 

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Zumindest  mir fällt es angesichts dessen äußerst schwer, mich nicht an die DDR erinnert zu fühlen. Denn dort war es ebenfalls für sämtliche Studenten obligatorisch,  im Rahmen des sogenannten “Gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudiums” vorgeschriebene Veranstaltungen zur  marxistisch-leninistischen Aus- und Weiterbildung zu besuchen. Der Verdacht, dass es sich damals wie heute letztlich um reine politische Indoktrinationsveranstaltungen handeln könnte, liegt da zumindest nahe.

Und die anderen Studenten, also all jene, die  gerade nicht mit der Besetzung von Hörsälen beschäftigt sind, befinden sich allzu häufig in endlosen Identitätskrisen, stehen mit keinem Bein im Leben und müssen fortwährend überlegen, was denn das aktuel wirklich größte gesellschaftliche Problem ist: Gendersprache, ein neues Klo für Non-Binäre oder doch eine neue Fahne für irgendeine sexuelle Orientierung? 

„Normale“ Studenten werden jedenfalls immer rarer und müssen sich ständig ausweitenden Sprachregulierungen unterwerfen und gegenüber ihren Kommilitonen penibel aufpassen, was sie überhaupt noch von sich preisgeben können. Auch wenn heute noch die Alternativen fehlen, sollten sich diejenigen, die noch eine grundsätzlich andere Vorstellung der Institution Universität teilen, fragen, ob sie sich das tatsächlich für mehrere Jahre antun wollen. Was es braucht, ist auch hier eine Gegenkultur, sind neue, freie Bildungseinrichtungen und Akademien, in denen Kreativität und Leistung zählen und nicht Quote, Geschlecht, Sprache oder Ideologie. Denn das, was unsere Hochschulen hervorbringen, sind allzu oft nur mehr weltfremde, angepasste, konforme und pseudo-tolerante Charaktere, die mit dem Strom des Zeitgeistes schwimmen. 

6 Antworten

  1. Azittur sagt:

    Auch James Galbraith hat mehr mit der realen Ökonomie zu tun als Ludwig von Mises.Das Problem ist das die Volkswirtschaftslehre an einer extremen Ideologisierung bei gleichzeitig mangelhaftem Wissenschaftsverständnis leidet.

  2. Azittur sagt:

    Das Problem ist das ein Großteil der VWL sich in eine Scheinrealität geflüchtet hat, die mit der Lebensperspektive der Handwerker, Händler und Unternehmen der Realwirtschaft wenig bis gar nichts zu tun hat. Ob Milton Friedmann, Keynes, Hayek, Mises oder die Neoklassiker. Vieles von dem was all diese Theoretiker geschrieben haben ist schon längst durch die Realität in der Wirtschaft wiederlegt. Aber jede der Gruppen will nur ideologisch ihre Glaubensätze vertreten und diese politisch durchsetzen ohne sich dabei wie einst Adam Smith real damit zu beschäftigen wie ein Markt funktioniert oder wie er in der Geschichte funktioniert hat. Kritisch gesehen ist Adam Smith der am nächsten an der Realität orientierte Wissenschaftler nur die Leute die das Adam Smith Institut oder ähnliche Organisationen schreiben so als hätten sie Smith nie gelesen

  3. Marcel Arndt sagt:

    Eine Schein-Realität. Am Ende spricht immer die reale Ökonomie das letzte Wort. In BRD-Elfenbeinturm-Universitäten mag man sich als vermeintliche akademische Elite zusammen spinnen, was man will. Wenn es dereinst zum Dach reinregnet, das Klo verstopft ist, das Auto nicht mehr fahren will usw., werden diese Herrschaften merken, das alles schöne Ideologisieren keine realen Probleme löst. Wahrscheinlich ist ein solches reales Erweckungs-Erlebnis in der Zukunft notwendig… Wie so oft in der Geschichte.

  4. Azittur sagt:

    Die Praxeologie Mises verstößt ebenso wie seine Konjunkturtheorie gegen den Rationalismus da sie irreale Annahmen voraussetzt

  5. Azittur sagt:

    Vielleicht weil Mises gegen den Kritischen Rationalismus Karl Poppers der die Grundlage der heutigen Wissenschaft darstellt mit voller Absicht verstößt.

  6. Cri sagt:

    Wahrhaftiges Bild der deutschen Universitätslandschaft. Kompliment an euch, junges Apolloteam, für euer Engagement