Deutsche Medien vs. amerikanische Realität – Ein Reisebericht
Von Johanna Beckmann | „Ein doppelter Lichtblick für die Welt“ und „Jetzt sind wir Futter für die Raubtiere“, dies sind Artikelüberschriften aus dem deutschen Magazin „DER SPIEGEL“. Ticken wirklich alle Amerikaner so? Wie viele der Menschen in Ohio denken, lernte ich in meinen diesjährigen Sommerurlaub.
Dieses Jahr verbrachte ich zwei Wochen meiner Sommerferien auf einem Roadtrip durch Ohio. Und es war nicht so langweilig, wie man es von einem Bundesstaat, der zu 44 % aus Ackerland besteht, erwartet hätte. Natürlich war es nicht immer spannend, da oft nur Felder und vereinzelte Häuser von Farmern zu sehen waren, aber den Lebensstil und die Einstellungen der Menschen zu sehen war keines Wegs langweilig. Während ich im Auto saß, wurde mir der riesige Unterschied zwischen diesem einsamen Ort und Städten, wie zum Beispiel Washington DC erst so richtig bewusst. Mir wurde klar, wie unterschiedlich der Lebensstil eines Farmers, zu dem der Städter ist. Für mich war es unvorstellbar, dass in einem Land, Menschen leben deren Lebensstil sich wie Tag und Nacht unterscheidet. Dadurch, dass mir das Leben der Menschen in Ohio sehr abgeschottet vorkam, war ich ziemlich überrascht, als ich erfuhr, dass sogar einflussreiche Persönlichkeiten aus Ohio stammten, darunter sind sieben ehemalige US-Präsidenten, Neil Armstrong, Steven Spielberg und Thomas Edison. Aus dem einsamen Ohio kommen also nicht nur Farmer und die Menschen, die ich getroffen habe, stehen deswegen beispielhaft für Personengruppen, die es genau so in fast jedem Bundesstaat gibt.
Und trotzdem ist alles sehr weiträumig und wir konnten die langen Autofahrten nicht umgehen. Während dieser langen Fahrten erblickte ich am Straßenrand auf Feldern immer wieder große Trump Plakate. Schilder mit der Aufschrift „Trump 2024!“ schmückten auch Vorgärten und Scheunen. Meine Überraschung wurde vor allem davon hervorgerufen, dass ich in Deutschland immer wieder Artikel laß, die Überschriften, wie „Ein doppelter Lichtblick“ trugen. Einer dieser Lichtblicke soll Joe Biden sein. Vom benannten Lichtblick habe ich in den gesamten zwei Wochen kein einziges Plakat gesehen. Das verwunderte mich sehr. Ich wusste zwar, dass die Wahrnehmung von anderen Ländern auf die USA positiver geworden ist seit Biden regiert. Die Wahrnehmung hat sich laut der Spring 2021 Global Attitudes Survey sogar um 28 % verbessert. Wie die Amerikaner Biden wahrnehmen, wusste ich nicht.
Ist Biden für die Amerikaner auch ein Lichtblick? Und warum stellen sie so viele „Trump 2024!“-Schilder auf? Ohio hat zwar bei der letzen US- Wahl republikanisch gewählt, das kann aber keine Begründung, dafür sein, dass ich keine demokratischen Plakate gesehen habe, da Ohio einer der wichtigsten Swing States der USA ist. Von 1964 bis 2021 galt sogar der Spruch: „Wer Ohio gewinnt, gewinnt die US-Wahl.“ Seit 1964 wurde immer der Kandidat Präsident, der Ohio gewann, das galt aber nur bis Biden kam. Es würde sich daher sogar lohnen Werbung für die demokratische Partei zu machen, denn dort ist es nicht so wie in Utah, wo seit 1964 nicht mehr mehrheitlich demokratisch gewählt wurde. Dann fand ich heraus, dass laut einer Studie von GALLUP die US-amerikanische Bevölkerung nach 552 Tagen im Amt, Trumps Arbeit zu 41 % guthieß und Bidens nur zu 38 %. Das ist zwar ein sehr geringer Unterschied, dennoch würde Trump nach der aktuellsten Umfrage von Real Clear Politics eine erneute Wahl gegen Joe Biden sogar mit fünf Punkten Vorsprung gewinnen. Es könne also sein, dass Biden für die Amerikaner gar nicht der Lichtblick ist, für den wir Deutschen ihn halten und sie deswegen so viele Trump Plakate aufstellen. Außerdem ist sehr wahrscheinlich, dass ich die gleichen Beobachtungen auch in anderen Staaten hätte machen können.
Da die Amerikaner Meister im Plakate aufstellen und politische Statements nach außen tragen sind, begegneten mir auf den langen Autofahrten nicht nur Trump Plakate, sondern auch sehr viele Schilder mit der Aufschrift „Choose Life!“. Zuerst nahm ich die Plakate nur wahr und verglich sie mit den Artikeln, die ich in Deutschland sah, wie zum Beispiel „Jetzt sind wir Futter für die Raubtiere.“, aus dem Magazin „DER SPIEGEL“. Im Spiegel-Artikel wurde die Entscheidung des obersten Gerichtshofs ein früheres Urteil, dass ein Recht auf Abtreibung eingeführt hatte, wieder zu kippen durch interviewte Frauen aus Texas kritisiert.
Als ich dann ein Museum besichtigte, in dem Menschen, die in der Bibel thematisierte Arche Noah nachgebaut hatten, begann ich über das Thema nachzudenken. Ich fand es verwunderlich, dass die Menschen Pro Life Oberteile trugen und man diese auch erwerben konnte. Ich staunte, dass sie weder komisch noch überhaupt besonders angeguckt wurden. In Deutschland wäre das undenkbar. Und dann als ich gerade das Museum verlassen wollten, erfuhr ich von einem Konzert der „3 Heath Brothers“. Ich beschloss, dort hinzugehen. Die „3 Heath Brothers“ sind drei Jugendliche, die christliche Musik spielen. Als ich in den Saal kam, der mehr Sitzplätze als eine durchschnittliche Kirche in Deutschland hatte, war es voll und ich bekam einen Platz in der vorletzten Reihe. Ich war selbst schon oft in Gottesdiensten, aber den Enthusiasmus der amerikanischen Christen sucht man in Deutschland vergebens. Um so spannender wurde es als der Titel „We choose life“ gespielt wurde. In dem Lied ging es darum, dass die Sänger finden, dass Abtreibung nicht richtig ist. Die Menschen standen auf, hoben ihre Hände und am Schluss bejubelten sie die Sänger sehr laut.
Es war keine kleine Menschenmenge, es waren mehr als es in meiner Gemeinde Gottesdienstgänger gibt. Bevor ich das erlebte war mir nicht klar, wie viele Menschen dem obersten Gerichtshof mit der Entscheidung das Abtreibungsgesetz zu kippen zu stimmten. Die klatschenden Frauen sahen glücklich aus und keines Wegs, wie das Futter von Raubtieren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diese Erfahrung machen durfte und dennoch stand ich nicht und riss auch nicht meine Arme nach oben. Ich wollte es zu diesem Zeitpunkt nicht und möchte mich auch immer noch nicht zu diesem sehr schwierigen Thema positionieren. Ich finde aber, dass in den deutschen Medien nicht vergessen werden darf, dass es Menschen gibt und das nicht wenige, die der Entscheidung des obersten Gerichtshofs zustimmen.
Es ticken also nicht alle Menschen so wie in „DER SPIEGEL“ thematisiert und einige dieser Menschen habe ich während meines Sommerurlaubs getroffen. Überraschend fand ich eher weniger, dass es die Menschen gibt, die nicht so ticken, wie die deutschen Medien. Was mich überraschte, war die Vielzahl dieser Menschen. Das zu lernen wäre für mich in den deutschen Medien fast unmöglich gewesen, da die Berichterstattung in Deutschland sehr einseitig ist. Es gibt zum Beispiel das Interview mit der Texanerin, die sich als Futter für die Raubtiere betitelt, aber gibt es im Magazin „Der Spiegel“ auch ein Interview mit einer Frau, die glücklich über die Entscheidung des obersten Gerichts ist. Nein! Man sollte nicht erst in die USA reisen oder amerikanische Medien zur Hilfe nehmen müssen, um die amerikanische Realität kennenzulernen. Ich würde mir wünschen, dass wir dafür Gebrauch von den deutschen Medien machen können.
Gut beobachtet und geschlussfolgert: audiatur et altera pars – man höre auch die andere Seite.
Mich wundert nur, wie viele Menschen nach dem vielfachen Totalversagen des Mainstream (Putins Einstellungen und die seiner Entourage, Georgien, Ossetien, Berg-Karabach, Krim, Aghanistan/Taliban, Energie-Wolkenkuckucksheim, Klima- und Coronahysterie, Vorzug eines unfreiheitlichen Totalitarismus, …) noch einen Cent auf dessen Berichterstattung, Nachrichten, Analysen und Bewertungen geben.
Ich dachte immer „Wer einmal lügt dem glaubt man nicht (mehr)“ und übertrug dies auch auf entsetzlich dumme Behauptungen, Analysen und Bewertungn. Ich lernte: je dümmer (oder fadenscheiniger/nicht zukunftssicher) die Behauptung ist, desto enthusiastischer wird sie vom Mainstream mutlipliziert. Aktuelles Beispiel ist: „Selbst im kalten Krieg hat Rußland vertragsgemäß Gas geliefert.“ Beispiele für dieses Totalversagen sogenannter „Intellektueller“ oder „Journalisten“ bzw. „Redakteure“ gibt es inzwishcne wie Sand am Meer.
Aber der deutsche Michel und insbesondere die Michaela wundern sich nicht. Jedenfalls ziehen sie keine Konsequenzen: https://petitionfuerdemokratie.de/gez-zwangsgebuehren-sofort-abschaffen/
Bis auf einzelne Perlen kritischen und investigativen Journalismus‘ ist es mit Realitätsbezug im deutschen Presse(un)wesen Essig.
Danke fuer den Bericht. Der Spiegel ist leider schon lange nicht mehr was er mal war, Schreiben, was ist, gibt es beim Spiegel nicht mehr.
Liebe Frau Beckmann, ich selbst war noch nie in den USA. Manchmal schimpfe ich über die Amis – dabei ist mir klar, dass dies nicht fair ist, da die Menschen überall verschieden aber auch wieder ähnlich sind. Ich schaue mir gern Western an – hier vor allem die nach 2000 entstandenen, die ich sehr subtil finde (das geht tatsächlich….) – nicht einfach Good Guy – Bad Guy – jeder hat seine Dämonen in sich und muss sie unter Kontrolle halten. Zu Ihrer Beobachtung der Berichterstattung in der BRD (also den Mainstream-Medien) kann ich nur sagen: Es betrifft viele Bereiche, wie auch über den Osten Deutschlands, den Osten Europas, Russland, China…. Diese Medien der Alt-68er mit ihrer besserwisserischen, oberlehrerhaften, immer belehrenden Art der Desinformation können dies wohl nur, weil sie Geld von einem Staat bekommen, der genau das wünscht. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass kaum noch von „Bürgern“ sondern nur von „Menschen“ gesprochen wird? Verfügungsmasse eben, die man dumm halten muss. Aber vielleicht geht die Rechnung doch nicht auf, solange Bürger nicht vollends verarmen und auch in Zukunft hin und wieder eine Reise machen können. Denn Reisen bildet – haben Sie ja auch erfahren. Alles Gute, Marcel