Der Niedergang von Liz Truss

Von Jonas Kürsch | Nach gerade einmal 6 Wochen im Amt gab die britische Premierministerin Liz Truss heute  ihren Rücktritt von der britischen Regierungsspitze bekannt. Sie erklärte, dass sie ursprünglich mit der Vision ins Amt gewählt worden sei, durch starke Steuersenkungen  ein hohes Wirtschaftswachstum zu generieren. Diesem Mandat habe sie nicht gerecht werden können. König Charles III. sei über ihren politischen Rückzug bereits informiert. Sie wird damit als kürzeste Regierungschefin in die Geschichte des vereinigten  Königreichs eingehen. 

Das Kabinett Truss stand von Anfang an in keinem guten Licht  

Schon zu Beginn ihrer kurzen Amtszeit sah sich die scheidende Premierministerin mit  einer ersten nationalen Katastrophe konfrontiert: Nur einen Tag nach ihrer Ernennung war die Queen im Alter von 96 Jahren verstorben. Im Rückblick erscheint das Ableben der  Monarchin fast schon wie ein düsteres Omen, denn fortan würde das Kabinett Truss in  keinem guten Licht mehr stehen.  

Der vom ehemaligen Finanzminister Kwarteng angekündigte Mini-Haushalt, die massiven  Pläne zur Steuersenkung und Truss’ Versprechen durch Deregulierung das  Wirtschaftswachstum in Großbritannien voranzutreiben, wurden vom ersten Tage an  medial zerrissen. Infolge von sinkenden Umfragewerten wurde die Regierungschefin  massiv von namenhaften Abgeordneten angegriffen. Um einer partiinternen Revolte zu  entgehen, versuchte Truss die Partei mit einer 180-Grad-Wende zu beschwichtigen und  ersetzte Kwarteng mit Jeremy Hunt, einem ihrer ärgsten Kritiker. Der neue Finanzminister strich kurzerhand ihre Steuerpläne und das Sparbudget, womit er dem Wirtschafts- und Finanzprogramm der Premierministerin de facto den Todesstoß versetzte. 

In den Reihen ihres eigenen Lagers führte dieser Personalwechsel zu massiver  Frustration. Auch konservative Hardliner wandten sich enttäuscht von der Premierministerin ab, zuletzt die Innenministerin Suella Braverman, welche erst gestern  Abend ihren Rücktritt eingereicht hatte. Sie begründete diesen Schritt unter anderem  auch mit eigenen Fehlern, stellte aber klar, dass sie vor allem über die vielen  Abweichungen vom konservativen Wahlprogramm nicht länger hinwegsehen wolle, unter anderem im Hinblick auf die Bekämpfung illegaler Migration. Zwar ersetzte Truss die Innenministerin schnell mit Grant Shapps, einem weiteren parteiinternen Kritiker, doch letztlich war es für die Premierministerin unmöglich geworden die Regierungsgeschäfte in  diesem Chaos zu leiten. 

Parteikollegen sprechen von „inszeniertem Putsch“  

Der erzkonservative Parteiflügel hatte zuvor bereits großes Entsetzen über den Umgang  mit der Premierministerin geäußert. Die zurückgetretene Innenministerin warf den  Zentristen gar einen „inszenierten Putsch“ vor. Darüber hatte Braverman sich besonders enttäuscht gezeigt. Es ist noch unklar, ob es nach diesen Entwicklungen zu Neuwahlen in Großbritannien kommen wird, im Moment gilt dies jedoch als unwahrscheinlich. Die Tories haben bereits angekündigt in den kommenden Wochen einen neuen Premierminister aus ihren eigenen Reihen wählen zu wollen. Wer genau das sein könnte, bleibt vorerst  ungewiss.