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Faktenarm

Das ZDF präsentiert 8 Minuten unkritisches Mitleid mit abgeschobenem afghanischen Messerstecher

In einer Video-Dokumentation interviewt das ZDF einen der 28 Straftäter, die nach Afghanistan abgeschoben wurden. Seine vermeintliche Notlage wird bemitleidet. Seine Geschichte wird nicht kritisch überprüft - schließlich liefert man einen unglaublichen Satz.

In einer Dokumentation interviewt das ZDF unkritisch einen abgeschobenen afghanischen Straftäter.

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“Abgeschoben nach Afghanistan – und jetzt?” So lautet der Titel einer achtminütigen Videodokumentation, die das ZDF am Samstag veröffentlicht hat. In der Dokumentation wird einer der achtundzwanzig abgeschobenen afghanischen Straftäter interviewt. Es wird viel Verständnis für seine angeblich schwere Lage gezeigt und nicht kritisch nachgefragt. Gleichzeitig werden die Deutschen für ihre Sorgen verächtlich gemacht: Ihnen wird die Schuld gegeben, dass syrische und afghanische Migranten sich jetzt in Deutschland unwohl fühlen würden.

Die Macher der Dokumentation treffen einen der 28 nach Afghanistan abgeschobenen Straftäter in Kabul. Da er nicht erkannt werden möchte, bekommt er das Pseudonym “Raheem”. Er wird gefilmt, wie er draußen Pflanzen gießt, eine harmlos wirkende Tätigkeit. Sein Gesicht ist nicht zu erkennen. Es mutet seltsam an, dass der Mann sein Gesicht nicht zeigen möchte, da die afghanischen Behörden seine in Deutschland verübten Straftaten als irrelevant eingestuft haben. In Deutschland saß er bereits im Gefängnis und hat nichts mehr zu befürchten. Doch der Grund wird für die Zuschauer bald ersichtlich.

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“Wir wollen mehr erfahren: über ihn, warum er abgeschoben wurde, was man aus seinem Fall lernen kann.” Bereits diese einleitenden Worte lassen – in Verbindung mit der Tatsache, dass seiner Bitte nach Anonymität entsprochen wurde – erkennen, dass dem Videobeitrag jegliche kritische Distanz fehlen wird. In der Dokumentation wird gesagt, dass “Raheem” im Alter von etwa 20 Jahren Frau und Kinder zurückließ, um in Deutschland Geld zu verdienen, weil es ihnen nach der Machtübernahme der Taliban finanziell schlecht ging. “Doch sein Plan ging nicht auf: Sein Asylverfahren zog sich, er lebte isoliert in einer Flüchtlingsunterkunft, arbeitete oft schwarz. Bis er straffällig wurde.” So heißt es in der Dokumentation. “Was genau passierte, wissen wir nicht. Nur so viel: Er soll in einen Streit verwickelt worden sein, trug ein Messer mit sich. Die Polizei nahm ihn fest. Das Urteil: Drei Jahre Gefängnis.” Hier begehen die Journalisten den ersten Fehler: Weder scheinen sie kritisch bei “Raheem” nachzufragen, noch führen sie bei Behörden wie der Polizei, dem Gericht oder den Innenministerien der Länder Presseanfragen durch. Zumindest wird davon in der Dokumentation nichts erwähnt.Sie lassen die vage Erzählung des Straftäters unwidersprochen stehen. Dabei befanden sich unter den Abgeschobenen mehrere Sexualstraftäter und ein Mann, der 160 Straftaten begangen hatte (Apollo News berichtete). “Raheem” gibt zu, dass er wieder nach Europa will, um erneut Asyl zu beantragen. Während die Journalisten scheinbar naiv einen Experten befragen, ob ein zweiter Asylantrag denn überhaupt Erfolg hätte, wenn der erste abgelehnt worden war und der Mann doch wegen der Abschiebung ein Einreiseverbot habe, wird für die Zuschauer nun der Grund ersichtlich, warum “Raheem” anonym bleiben wollte: Damit er unerkannt wieder nach Europa einreisen kann, wahrscheinlich unter falschem Namen. 

In der Dokumentation wird gesagt, dass es bei der Frage, ob Straftäter abgeschoben werden, nicht um ihr Verhalten in Deutschland geht: “Jeder Fall muss einzeln geprüft werden. Entscheidend ist nicht, wie sich die Person in Deutschland verhält, sondern wie gefährdet sie im Zielland ist.” In Bezug auf Afghanistan heißt es, dass sich die Versorgungslage dramatisch verschlechtert habe. Der Professor für Völkerrecht, Andreas Zimmermann, wird interviewt. Er sagt, dass rechtlich gesehen eine Abschiebung nicht möglich sei, wenn die Situation im Zielland trotz nicht drohender Verfolgung “so schlimm” sei, dass “es eines Menschenwürdeverstoßes gleichkäme, wenn man diese Person in diese Situation zurück verbringt.” Die Journalistin kommentiert diese Aussage damit, dass im Falle „Raheems“ dieses Kriterium wohl nicht gegriffen habe.

Der Professor für Völkerrecht fordert mehr Differenzierung in der Debatte. Es müsse zwischen jenen unterschieden werden, die nur aus wirtschaftlichen Gründen kommen, und jenen, die tatsächlich politisch verfolgt würden. Dass in der Praxis diese Unterscheidung irrelevant ist, belegt die ZDF-Dokumentation selbst. Von 74.892 Asylanträgen aus Syrien in diesem Jahr haben 5.751 Personen den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen. Weitere 57.095 erhielten subsidiären Schutz. Gesamtschutzquote: 84,2 Prozent. Von 32.999 afghanischen Asylanträgen haben 11.434 Personen den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen. Weitere 12.984 wurden wegen eines Abschiebeverbots geduldet. Gesamtschutzquote: 75,8 Prozent.

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Außerdem wird Tareq Alaows, der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, interviewt. Er beklagt, dass nach dem Attentat von Solingen Millionen Afghanen und Syrer unter Generalverdacht gestellt worden seien. “Das dürfen wir in einer Demokratie nicht so machen”, sagt er. Er berichtet weiter davon, dass viele afghanische und syrische Migranten Angst hätten, plötzlich abgeschoben zu werden. Das ZDF zeigt anhand der genannten Statistiken, dass diese Angst unbegründet ist. 

In der Dokumentation wird weder “Raheems” vermeintliche Geschichte hinterfragt, noch wird sich mit seiner Straftat auseinandergesetzt. Der Vorwurf, dass sich die Deutschen zu wenig mit den Asylbewerbern auseinandersetzen würden, wird unwidersprochen stehen gelassen. Auf die polizeiliche Kriminalstatistik 2023, nach der 41 Prozent der Verdächtigen Ausländer sind, wird nicht eingegangen. Von den tatverdächtigen Ausländern sind wiederum 43 Prozent Asylbewerber, Geduldete, Asylberechtigte oder illegale Einwanderer (Apollo News berichtete). Ebenso wird nicht erwähnt, dass sich zum Beispiel in Thüringen die Anzahl der Straftaten mit Messern im Vergleich zum Vorjahr um 151 Fälle oder 56,6 Prozent steigerte. 389 Tatverdächtige kamen aus dem Ausland, davon 27 aus Syrien und zwölf aus Afghanistan (lesen Sie mehr).

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