Das iranische Volk kämpft gegen sein Regime – aus Deutschland kommt nur verhaltene Unterstützung

Von Boris Cherny | Nach der Ermordung Mahsa Aminis durch die iranische Sittenpolizei, kommt es im Iran seit nun mehr als einer Woche zu massiven Protesten. Innerhalb  der letzten Tage nahm sowohl die Anzahl der Protestteilnehmer als auch die Repressalien gegen sie zu. Derweil bleibt die Reaktion des Westens zögerlich und bedeutungslos. 

Seit inzwischen mehr als einer Woche gehen iranische Bürger gegen das Kopftuch und die Kopftuchpflicht auf die Straße. Doch genauso wie das Protestgebiet haben sich die Ziele der Demonstranten massiv ausgeweitet. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Gleichberechtigung der Frau oder weniger Polizeigewalt, sondern gar um die Abschaffung der Scharia und das Ende des Mullah-Regimes. 

Massendemonstrationen gegen das fundamental-islamische Regime sind im Iran kein Novum. Zuletzt gab es sie 2019, als mehr als 1000 Menschen ihr Leben bei den Protesten verloren. Damals verpufften die Demonstrationen allerdings. Dass diesmal nicht das Gleiche passiert, scheint zunehmend wahrscheinlich. Die gebildete Mittelschicht des Landes lechzt nach mehr Freiheiten, unterdessen hat die Unterschicht die katastrophalen wirtschaftlichen Bedingungen im Land satt. Diese gleichzeitige Unzufriedenheit war in den letzten Jahren in diesem Ausmaß nie vorhanden. 

Außerdem erscheinen die Widerständler entschlossen wie nie. Trotz der noch sehr  lebendigen Erinnerung an die brutale Niederschlagung der Proteste von 2019 (die Ereignisse  sind im Iran als blutiger November bekannt), schrecken die Demonstranten nicht vor zivilem  Ungehorsam und Widerstand gegen die Staatsgewalt zurück. Auch die aktuellen Drohungen des Präsidenten Ebrahim Raisi, mit voller Härte gegen die Proteste vorzugehen, laufen ins Leere. Die Aktionen der Polizei kosteten bereits mehr als 50 Menschen das Leben. 

Jetzt wächst der Druck auf das Regime. Die Proteste ebben nicht ab, und moderate Elemente innerhalb des Regimes zeigen sich bereit, sich auf Kompromisse mit den Demonstranten einzulassen. Das sind keine guten Vorzeichen für den sich abzeichnenden Machtkampf, der im Falle des Ablebens des greisen obersten Führers Ali Khamenei eintreten könnte. 

Zahnlose Reaktion des Westens

Doch auch wenn intern die Chancen der iranischen Demokraten immer besser werden,  können sie sich kaum auf internationale Solidarität stützen. Die USA kündigten zwar leichte  Sanktionen gegen die Sittenpolizei und ihre Hauptakteure an und versuchen, den stark eingeschränkten Zugang zum Internet für die iranischen Bürger zu erleichtern, trotzdem stellt die Biden-Regierung keine signifikante Unterstützung dar. Das deutsche Außenministerium schwieg währenddessen tagelang bezüglich der Geschehnisse im Iran. Zwar hat die Außenministerin  Baerbock das Vorgehen der iranischen Regierung inzwischen verurteilt, doch Sanktionen oder sonstige Hilfen für die Regimegegner bleiben aus. Stattdessen verhandelt man mit dem Iran-Deal seit Monaten darüber Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. „Feministische Außenpolitik“ sieht anders aus.

ZDF verteidigt Kopftuch

Auch die deutsche Presse schafft es, sich abermals zu blamieren. Verzweifelt versuchten  Journalisten des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks den frauenfeindlichen Islam und das Kopftuch als sein Symbol zu verteidigen. Die ZDF-Autorin Yasmin Poesy behauptete  beispielsweise, der Iran repräsentiere eine „durchaus aggressive Form der orientalischen  Kultur“, aber keinesfalls den Islam. Dass die Scharia und damit auch große Teile des  iranischen Rechtssystems aus dem Koran abgeleitet sind, scheint die Journalistin nicht zu  kümmern. Auch abseits dessen spielt die Berichterstattung über Iran, wo möglicherweise  bald eine Revolution vonstattengeht, für die Öffentlich-Rechtlichen nur eine untergeordnete  Rolle. In der Tagesschau werden die Proteste meist erst gegen Ende thematisiert oder  komplett ausgelassen. 

Die verhaltene deutsche Reaktion auf einen furchtlosen demokratischen Protest gegen ein  menschenverachtendes Regime lässt einen ratlos zurück. So setzen sich deutsche  Journalisten eigentlich doch gerne für die internationale Demokratie ein, wie beispielsweise  nach den Wahlen in Italien, nach denen sie eine demokratisch gewählte Ministerpräsidenten diffamieren und delegitimieren. Doch die ernüchternde mediale und politische Resonanz in Deutschland kann den Freiheitskämpfern in Teheran wohl unwichtig sein. Die iranische  Demokratiebewegung macht massive Fortschritte, und ihre Stunde könnte, wenn nicht schon heute, sehr bald schlagen. Spätestens nach dem Tod des obersten Führers und der Galionsfigur des Regimes Ali Khamenei – der radikale Islamist ist bereits gesundheitlich  angeschlagen – kann sich die Gelegenheit für einen Systemwechsel bieten.

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