Christine Lambrecht tritt ab: Ein Rücktritt ist nicht selbstverständlich

Von Boris Cherny | Inkompetent, tollpatschig und chaotisch. Das sind wohl die Adjektive, mit denen sich die Arbeit von Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin am besten beschreiben lässt. Doch nun ist es offiziell: Lambrecht tritt, nach nur etwas mehr als einem Jahr im Amt, zurück. Das berühmt-berüchtigte Silvestervideo wurde ihr letztendlich zum Verhängnis. Ihre Amtszeit ist die kürzeste für einen Verteidigungsminister seit der Wiedervereinigung. Doch Lambrecht macht mit ihrem Rücktritt was Ehrbares: anstatt wie andere Minister der Ampelkoalition an ihrer Macht krampfhaft festzuhalten, erkennt sie, wann das Vertrauen ihrer Bürger endgültig verspielt wurde. Sie schwimmt damit gegen den Strom der Scheuers, Lauterbachs und Spahns, die, sei der Skandal noch so groß, partout nicht vorzeitig aus dem Amt scheiden wollen.
Trotzdem, Lambrecht hat genauso Fehler begangen. Am berühmtesten ist ihr Helikopterflug mit ihrem Sohn nach Sylt. Der Flug stand unter Kritik, weil die Lambrechts für ihren gemeinsamen Urlaub ein Regierungshelikopter nutzten. Auch wenn es ein schlechtes Licht auf die Ministerin zu werfen scheint, war der Flug vollkommen rechtmäßig und sie übernahm alle Kosten ihres Sohnes persönlich. Trotzdem endete der Flug im PR-Desaster. Doch auch fachlich gab Lambrecht oft keine gute Figur ab. Mal schickte sie kurz vor dem Überfall Russlands den Ukrainern 5000 Helme statt nützlichen Waffen, mal fehlt es aufgrund ihres Versäumnisses der Bundeswehr an einer einsatzfähigen Menge von Munition. Insgesamt wirkte die Ministerin initiativlos. Dabei bekam ihr Ressort dank des Sondervermögens eine Geldspritze von satten 100 Milliarden Euro. Doch ein öffentlichkeitswirksames und ambitioniertes Reformpaket blieb aus, stattdessen kam es nur zu geringfügigen Reparaturen und Verbesserungen. Natürlich kann man die jahrelang vernachlässigte Bundeswehr nicht innerhalb von einem Jahr auf Vordermann bringen, doch Lambrecht strahlte stets Stagnation statt Aufbruch aus. Auch intern galt sie, laut Quellen des Spiegels, als die „Null-Bock Ministerin“ und als „politischer Totalausfall“. Nun war der letzte Sargnagel für Lambrechts Ministerposten eine so unscheinbare Aktion wie eine Silvesteransprache.
Lambrecht ist dabei nicht die erste skandalgeplagte Verteidigungsministerin der neuesten Geschichte. Ihre Vor-Vorgängerin Ursula von der Leyen hatte mit der „Berateraffäre“ und einer zunehmend morbiden Bundeswehr ihre eigenen und wohl größeren Probleme. Trotzdem musste von der Leyen nicht etwa aufgrund von fehlendem öffentlichem Rückhalt den Ministerstuhl räumen, sondern, weil sie zur Präsidentin der EU-Kommission befördert wurde. Von der Leyen reihte sich ein in die stets weiterwachsende Linie an Politikern, die keine Konsequenzen für ihre Fehler und Skandale tragen mussten. 2011 noch wurde die komplette politische Karriere des damaligen Verteidigungsministers und jungen Shootingstars der CDU Karl-Theodor zu Guttenberg abrupt beendet. Seine Doktorarbeit war voll von Plagiaten. 2021 musste Franziska Giffey aufgrund des gleichen Vergehens auch zurücktreten, doch wurde sie bereits einige Monate nach dem Skandal Bürgermeisterin der größten deutschen Stadt. Auch Andy Scheuer musste, trotz Fehlern, die den Steuerzahler Milliarden kosteten, seine Karriere in der Politik nicht beenden. Jens Spahn und Karl Lauterbach, die beide mit ihrer katastrophalen Corona-Politik der Gesellschaft einen langwährenden Schaden zugefügt haben, standen nie unter ernsthaftem Druck, Konsequenzen ziehen zu müssen. Skandale hochrangiger Politiker haben immer seltener Rücktritte zur Folge. Das stellt eine Gefahr für unsere Demokratie dar und zeigt, dass unsere vierte Gewalt, die Presse, nur noch eingeschränkt funktioniert. Deshalb tut Lambrecht nicht nur der Bundeswehr, sondern auch unserer Demokratie einen Gefallen, wenn sie abtritt. Und sie zeigt, dass sie nicht so machtversessen ist wie manch einer ihrer Kollegen. In der Praxis hätte sie nicht zurücktreten müssen (auch wenn es das einzig richtige ist) – dafür, dass sie es doch tut, gebührt ihr Respekt.
Foto: US Secretary of Defense
Ich weiß nicht … Respekt wofür? Frau Lambrecht erhält ein saftiges Ruhegeld, die Pension ist gesichert, welches Opfer hat sie denn eigentlich gebracht?