China leidet unter radikaler Lockdown-Politik

Von Laura Werz | In China können wir heute wieder die Einführung schwerster Freiheitsbeschränkungen aufgrund des Coronavirus beobachten. Am Mittwoch gab es tatsächlich sagenhafte 132 Neuinfektionen in der Stadt Chengdu die sich absolut nicht mit der Null-Covid-Politik des Landes vereinbaren lassen. Im ganzen Land belaufen sich die Neuinfektionen gerade einmal auf 349 am Tag. Zum Vergleich: in Deutschland wurden am 31. August 49.303 Infektionen gemeldet.

Trotz der verschwindend geringen Zahlen ist für Millionen Menschen im kommunistischen China ein Lockdown wieder Realität. Während für den Großteil der Weltbevölkerung das Virus endlich aus den Köpfen und dem Alltag verschwindet, lassen die Maßnahmen Chinas selbst Deutschlands überzogene Coronapolitik wie einen akzeptablen Dauerzustand erscheinen. 

Es kam bereits in den letzten Tagen in einigen chinesischen Städten wieder zu Lockdowns. In der chinesischen Metropole Dalian gilt beispielsweise für circa die Hälfte der sechs Millionen Einwohner eine Ausgangssperre. Jedem Haushalt soll es erlaubt sein, einmal täglich eine negativ getestete Person rauszuschicken, um Lebensmittel und andere lebensnotwendige Güter zu besorgen. Und auch in den Städten Chengde und Shijiazhuang nahe Peking gelten wieder Restriktionen. Die drohende Ausgangssperre in Chengdu übersteigt allerdings die bisherigen Maßnahmen bei Weitem. Ab 18 Uhr am Donnerstag soll nach den chinesischen Staatsmedien für alle 21 Millionen Bewohner eine absolute Ausgangssperre gelten. Die Stadt selbst ist nur im absoluten Notfall zu verlassen. Innerhalb von vier Tagen soll daraufhin die gesamte Stadt durchgetestet werden. 

In Hongkong hingegen gilt nicht dieselbe Null-Covid-Politik. In dieser Woche wurden in Hongkong täglich 10.000 Neuinfektionen registriert, weswegen eine Verschärfung der gerade erst gelockerten Beschränkungen zu befürchten ist.  

Die chinesische Bevölkerung hat keine Wahl, als sich den diktatorischen und menschenverachtenden Maßnahmen zu fügen. Die erschreckenden Bilder von Menschen, die in Läden Schutz vor der Gesundheitspolizei suchen, auf der Straße verprügelt werden, oder aus dem Fenster schreien werden bei uns durch den täglichen Nachrichtenkonsum langsam aber sicher in den Hintergrund gerückt. Für die Chinesen hingegen sind diese Zustände das Damoklesschwert, das über ihren Köpfen schwebt und dessen sind sie sich bewusst. 

China hält an seiner Null-Covid-Politik fest, obwohl die chinesische Wirtschaft stark unter den andauernden Maßnahmen leidet. Der chinesische Handel, Tourismus und die Industrie laufen nur auf Sparflamme und haben stetig einen wirtschaftlichen Stillstand zu befürchten. Auch die Kinder in zahlreichen Provinzen sind unmittelbar betroffen. In vielen Regionen findet weiterhin Online-Unterricht statt und sogar die Herbstsemester der Universitäten werden verschoben. Die Einreise für Ausländer ist noch immer weitgehen unmöglich und gegebenenfalls mit einer einwöchigen Quarantäne in zumeist sehr schlecht ausgestatteten Hotels verbunden.  

Das Wirtschaftswachstum des Landes scheint der kommunistischen Partei wesentlich weniger zu bedeuten, als es in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Die Null-Covid-Politik stellt in diesem Sinne eine 180-Gradwende zur Politik Chinas der 1990er und 2000er Jahre dar, die ausschließlich darauf abzielte, das Wachstum des Landes zu fördern. Damals wurde weder Rücksicht auf die Umwelt noch auf das Wohlergehen der Arbeitskräfte gelegt. Auch der Konsum der Bevölkerung ist im Zuge der Coronapolitik rasant eingebrochen. Das ist insofern interessant, als dass chinesische Haushalte bis zum Ausbruch von Covid-19 von der Regierung stets aufgefordert wurden, immer mehr zu konsumieren, um die Wirtschaft anzukurbeln und mit dem Lebensstil anderer Industrieländer mitzuhalten.

Die wirtschaftliche Abwärtsspirale des Landes wird sich perspektivisch wohl unkontrolliert fortsetzen. Ausländische Unternehmen investieren weniger und ziehen sich aus China bereits zurück, da sie infolge von anhaltenden Schließungen mit niedrigeren Einnahmen rechnen müssen. Einer Umfrage zufolge gaben fast 60 Prozent der europäischen Unternehmen an, ihre Umsatzprognosen für 2022 zu kürzen. Es ist nicht abzusehen, wann das Wirtschaftswachstum wieder auf der Tagesordnung Chinas stehen wird. Das eigentliche Ziel Chinas, in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent zu erreichen, erscheint in diesem Zuge zumindest wenig realistisch. 



1 Antwort

  1. Hannah sagt:

    Wahnsinn!!!
    Danke für den Bericht über diese Zustände.