Chez Krömer ist nicht mehr – „Aber nun isser halt tot.“

Von Elisa David | Ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende? Die Frage lässt sich angesichts des plötzlichen Sendestops der Kultsendung „Chez Krömer“ nicht leicht beantworten. Für den Komiker Kurt Krömer (eigentlich Alexander Bojcan) selbst ist es sicher ein bisschen von beidem. „Ich bin morgens aufgestanden mit schlechter Laune. Ich bin zum Sender gegangen mit schlechter Laune. Ich hab die Redaktionssitzungen abgesessen mit schlechter Laune. Ich bin mit schlechter Laune in die Sendung gegangen. Bin mit schlechter Laune wieder nach Hause gegangen. Und bin mit schlechter Laune wieder ins Bett gegangen. Ich weiß nicht, ob ihr das Muster erkennt. Aber für mich war unheimlich viel schlechte Laune im Spiel, und das möchte ich nicht.“, meldete er sich zu dem Ende seiner Show auf Instagram. Sein Produzent Friedrich Küppersbusch hat ihn einst als die „Lichtgestalt des Journalismus“ gefeiert – nicht viel weniger selbstgerecht ist Krömer in seine Interviews gegangen. Das Studio hatte keinerlei Anspruch an Gemütlichkeit, im Gegenteil: Aufwendig einem Verhörraum nachempfunden, mit nackter Glühbirne über dem spärlichen Tisch und Schlössern an der Tür. Kurt Krömer selbst trat wie ein typischer Bürokrat auf, mit altmodischem Anzug und passender Brille. Seine Sendung begann er an einem Schreibtisch vor dem Verhörraum, zu jedem Gast gehörte ein Hefter mit Unterlagen, aus denen er seine Frage ablas. Julian Reichelt bezeichnete diese bei seinem Interview bei Krömer als „Stasi-Akte“, was die ganze Stimmung doch sehr treffend zusammenfasst.
In den ersten Staffeln hatte Krömer sich noch amtierende Politiker vorgenommen. Kevin Kühnert, Gregor Gysi, Sawsan Chebli und Marco Buschmann gehörten beispielsweise zu den Unglücklichen. Es hatte etwas erfrischendes, sie in Interviews straucheln zu sehen, nachdem sie sonst nur mit Samthandschuhen angefasst werden. Gerade Gregor Gysi gönnt man mal ein Stasi-Verhör, geschlagen mit den eigenen Waffen. Trotzdem hatte das, was in diesem Verhörraum vor sich ging, nie etwas mit Journalismus zu tun. Krömer war eben nur ein Komiker, der sich in politische Themen einmischte, die er vorgab zu verstehen. Deshalb fokussierten sich seine Fragen auch mehr auf das Privatleben seiner Gäste, dazu fiel ihm was ein. Über den Verlauf der Sendungen hinweg hat sich aber etwas geändert. Früher hat man bei seinen Fragen, so hart sie auch waren, immer auch eine gewisse Sympathie heraus hören. An linken und auch extrem linken Einstellungen hatte er nie was auszusetzen.
In der neuen Staffel war das anders. Der österreichische Ex-Politiker Strache, Ex-Bildchefredakteur Julian Reichelt und ganz zum Schluss Comedian Faisal Kawusi nahmen als Vorgeladene an seinem kleinen Tisch Platz. Alles „Arschlöcher“ aus Krömers Sicht – außer ein einziger Gast: Salomé Balthus. Salomé, eigentlich Hanna Lakomy, ihres Zeichens Prostituierte, erlaubte Krömer, sie als Hure zu bezeichnen. Das ist aber auch das einzige, bei dem Krömer sich bei ihr mal ein bisschen vorgewagt hat. Er stellte immer wieder klar, dass er über das Thema sachlich diskutieren will und behandelte sie mit mehr Respekt, als je einen Gast vor ihr. Erstmal ironisch, weil man ja gerne mal sagt, dass Prostituierte ihren Lebensunterhalt ehrlicher verdienen als Politiker. Dabei hätte auch dieses Gespräch Kritik gebracht. Denn Salomé ist nicht so unschuldig wie sie sich darstellt. Sie redet in einer gehauchten hohen Stimme und wirkt ganz furchtbar naiv für eine erwachsene Frau, die auf die 40 zugeht. Genau das ist aber eine Masche, die stark in der Kritik stehen sollte, wenn man nicht wegschauen würde. Nach kurzer Recherche findet man die Website, auf der sie ihre Dienste anbietet. Ihre Beschreibung ist aber alles andere als das, was man von einer durchschnittlichen Prostituierten erwarten würde. Sie bezeichnet sich als „Kindfrau“, „Puppenhaft klein von Gestalt steht dieses Wesen vor Ihnen und blickt mit einem Wimpernschlag aus großen Augen zu Ihnen hinauf.“ Der Text schwärmt von ihrer „zarten Kinderhaut“, fragt: „Darf ich dir mein kleines Händchen reichen?“ Da steht es schon in einem ganz anderem Licht, wenn sie sagt, dass sie gerne „die Hauptrolle in ihren halblegalen Phantasien“ spielt.
Wem das noch nicht reicht, der wird vielleicht bei ihren Aussagen zu ihren „Angeboten“ für ihre Freiern hellhörig. Auf Twitter wurde sie mal gefragt: „Also würdest Du auch „seine“ 10-Jährige für seine Fantasie abbilden?“ Darauf antworte sie: „Ja. Ich habe so etwas bereits unzählige Male getan, es ist die mit Abstand am häufigsten von mir gewünschte Phantasie. Und ich bin mir sicher, keiner dieser Kunden war echt pädophil. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Pädophilen keine Kinderschänder sind. Und umgekehrt.“ Das Ganze spielte sich unter einem Post ab, in dem sie ihrer Followerschaft mitteilte, sich auf ein „Vergewaltigungsspiel“ mit einem Kunden vorzubereiten. Dazu ein Foto von ihr komplett nackt, nur bedeckt von einem knappen offenen Kimono und der Hand die sie sich zwischen die gespreizten Beine hielt. In einer Kolumne für die Welt teilte sie den Lesern mit, dass es von ihr erwartet werde, kindliche Rollen zu spielen. Kurt Krömer sitzt mit einer Frau in einem Verhörraum, die ihr Geld damit verdient, Pädophilie und Missbrauch zu sexualisieren – aber er verliert kein Wort darüber, begleitet sie nach der Sendung ihren Angaben nach zur Tür und ruft ihr ein Taxi. Sie passt aus seiner Sicht aus irgendeinem Grund nicht in das Schema von Arschlöchern. Aber sie passt in ein anderes Muster.
„Sex sells“ – auch im ÖRR
In einer verheißungsvollen Nacht einer schönen Oligarchin und dem Alkohol zu verfallen, wie Krömer es Heinz Christian Strache vorwirft, klingt für mich wie eines dieser schmutzigen Taschenbücher, die man am Bahnhofskiosk kaufen kann. Niemand will mit diesen Büchern gesehen werden, aber wenn man die Menschen beobachtet, die daran vorbei laufen, erkennt man schnell ein Muster: Sie alle können einfach nicht wegschauen. So ist es auch immer mit Sexskandalen: Jeder finden sie dreckig, aber sie sind so fasziniert, dass die Zeitungen tagelang nichts anderes schreiben und Rekordzahlen melden. Danach werden die Hauptfiguren sie nicht mehr los. Steht der Mann neben einer jungen Frau, fällt die ganze Meute über sie her, stellt sich vor, was die beiden wohl in der Abstellkammer angestellt haben. Denn das wirklich Schmutzige ist meistens nicht die Affäre selbst, sondern die Fantasie der Empörten.
Profit aus solchen niedrigen Trieben zu schlagen, erwartet man von Boulevardblättern und Klatschzeitungen – sie sind es, die jedes noch so dunkle Laster aufspüren, mit denen niemand etwas zu tun haben will, denen aber auch niemand widerstehen kann. Dass der Öffentlich Rechtliche Rundfunk, die menschgewordene Vernunft und Sachlichkeit, auch nicht vor dem obersten Grundsatz des Show Business gefeit ist, ist für manche keine Überraschung, anderen fällt es gar nicht auf. Sie suchen nur bei denen nach Fehlern, bei denen sie es wahr haben wollen. Sex sells, auch wenn man gezwungen ist, dafür zu bezahlen. Deshalb wollte Kurt Krömer auch das Gespräche andauernd mit beiden Männern immer wieder auf ihre schmutzigen Skandale lenken, statt auf politische Inhalte – verkauft sich halt besser. Problem dabei: Hier hatte er kein Mitleid wie bei seiner Salomé. Bei der hielt er sich zurück, denn während verruchte Prostituierte was zum Hingucken sind, schaut man bei Pädophilie lieber weg. Er war auf glamouröse Sensationen aus, auf schöne Leichen im Keller, auf frische Beute. Kurz: Er wollte, dass seine verhassten Gäste sich noch schrecklicher fühlen als er.
Frauen zu sexuellen Handlungen zu nötigen, wie Krömer es Julian Reichelt vorwirft, ist eine Straftat. Für die man ins Gefängnis kommen kann. Das klingt für mich fast so, als sollte man jemanden nicht einfach einer Straftat beschuldigen, die man weder beweisen kann, noch jemals vor ein Gericht gebracht wurde. Für Herrn Krömer reicht es aber offenbar schon, vom „Spiegel“ schuldig gesprochen zu werden. Und eine komplett anonymisierten Aussage einer angeblichen Zeugin soll als „Beweis“ für extremen Drogenkonsum dienen. Der Erwerb und Besitz von Kokain ist auch strafbar. Die ganze Welt und besonders Kurt Krömer will jemanden mehrerer Straftaten überführt haben und keine Staatsanwaltschaft hat das bisher zur Anklage gebracht – und das auch noch im linken Berlin. Das lässt einen mit Fragen zurück. Aber Inquisitionen brauchen keinen Richter, nur jemanden, der sich bereit erklärt, die Guillotine zu betätigen.
Schon im Mittelalter waren die Henker keine glücklichen Menschen. Und gerade angesichts der nun letzten Staffel hatte man den Eindruck, dass Krömer das Instrument für Redakteure hinter der Kamera war. Er las nur noch ab, wirkte dabei, als würde er in dem Moment die Fragen auch zum ersten Mal hören. Er wirkte mehr wie ein Stasi-Spitzel, als ein hohes Tier im Ministerium, das Verhörräume betreten darf. Zwischen den Fragen blieben schlagfertige Antworten aus. Früher hatte er die Fähigkeit, Widersprüche oder die verzweifelten Versuche seiner Opfer, ihn mit den Abgrund zu ziehen, einfach an sich ab abprallen und auf sie wieder zurückfallen zu lassen. Sodass sie mit jedem Verteidigungsversuch, weiter hinab rutschten. Doch das Beil seiner le rasoir national ist stumpf geworden und so ließ er nun sich mit hineinziehen, während die Verhörten wieder aus ihrer Falle krochen.
Totgeglaubte leben länger und so war es mit allen seinen Gäste der letzten Staffel. Das Publikum war enttäuscht. Die Schaulustigen waren für eine Hinrichtung gekommen, in der Hoffnung, die Verdammten würden eines hilflosen Todes sterben. Keiner wollte einen „fairen Kampf“ sehen. Und schon gar keiner hatte erwartet, dass am Ende der Falsche untergeht. Krömer gibt den „Arschlöchern“ die Schuld dafür, dass er seinen Job nicht mehr ertragen kann, weil er sie nicht mehr ertragen kann. Dabei es ist doch ein offenes Geheimnis: Vielmehr als vor den Arschlöchern graut er sich vor seinem eigenen Spiegelbild an den dreckigen Scheiben des Verhörraums. Zu traurig aber auch. Hätte er früher aufgehört, hätte er mit Würde gehen können. „War so ein bisschen, als ob man auf seiner eigenen Beerdigung zugucken durfte, wie die anderen um einen trauern. Weißte, wenn die dann am Sarg stehen und sagen: ‚Na ja, es war nicht alles schlecht, was er gemacht hat. Er war ja ’n Guter. Wir haben ihn geliebt. Man hätte ihm das vielleicht früher sagen müssen. Aber nun isser halt tot.’“, sagte Krömer dazu selbst. Selbstreflexion kommt leider immer zu spät.
Bildquelle: Foto: © JCS / Lizenz: GFDL / CC-BY-SA-3.0
Vielleicht war er nur Mittel zum Zweck ?
Seine Aussage, „Mein Bedarf an A… ist gedeckt“, beschrieb nicht exakt, ob er seine Gaeste oder die Ministerien hinter ihm meint.
Aber er war immer Taeter.
Nicht einmal Harald Schmidt bezeichnet sich selbst als Journalist. Herr Bojcan geht unter „ferner liefen“. Hat sich stets bemueht.
Gute Besserung.
Kurt Krömer als Komiker mit Berliner Schnauze fand ich wirklich witzig. Etwa die Nummer, bei der er Angela Merkel nach Feierabend spielt. Oder als er im Interview mit Alexandra Neidel aus Verlegenheit anfängt, über‘s Wetter zu sprechen. „Chez Krömer“ hingegen … was ist das für ein beklopptes Format, bei dem Leute eingeladen werden, welche der Gastgeber offensichtlich verachtet?