Bürgergeld – die Italiener schaffen es ab, wir führen es ein

Von Johanna Beckmann | Deutschland steht im Jahr 2023 eine große Neuerung bevor: Die Einführung des Bürgergeldes. Mit diesem neuen Sozialhilfesystem soll endlich das alte, oft als „menschenfeindlich“ bezeichnete, Harz IV abgeschafft werden. Sozialleistungsempfänger kriegen dann nicht nur mehr Geld, das Bürgergeld soll Arbeitslosen auch helfen eine neue Arbeit zu finden – so zumindest die Theorie. In Italien soll das Bürgergeld mit genau dem selben Zielabgeschafft grade abgeschafft werden.
Am 1. Januar 2023 soll es nun „endlich“ soweit sein, nachdem die Einführung des Bürgergeldes zunächst im Bundesrat gescheitert war. Aus diesem Grund war lange unklar, ob es das neue System überhaupt geben wird. Union und Ampel einigten sich vor Kurzem jedoch auf einen Kompromiss. Die Union setzte ein geringeres Schonvermögen – das bedeutet Geld, das nicht auf den Sozialhilfe Anspruch angerechnet wird – und das Bleiben der Sanktionen bei fehlender Mitwirkung durch.
Steuerzahler weinen, Leistungsbezieher freuen sich
Ansonsten gibt es vor allem eines: Jede Menge Geld, für sehr wenig zu tun. Der monatliche Regelsatz wurde von 449 auf 502 Euro erhöht. Das sind 53 Euro mehr – klingt erstmal nicht viel, ist aber auch nicht alles. Miete und Gas werden davon unberührt übernommen, es gibt ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro und dann gibt es noch alle möglichen Zuschläge, zum Beispiel zur kulturellen Teilhabe. Bei Kindern werden alle möglichen Zahlungen, unter anderem für den BerlinPass und Pauschalen für den Erwerb von Schulsachen übernommen. Im Gegensatz zu früheren Regelungen müssen auch keine Aushilfe Jobs mehr angenommen werden.
Der Kompromiss von Union und Ampel sieht außerdem vor, dass man künftig statt den geplanten zwei Jahren, ein Jahr „Vertrauenszeit“ hat. Das bedeutet, dass das Vermögen in dieser Zeit völlig unangetastet bleibt, solange es nicht einen Betrag von 40.000 Euro übertrifft. Zum Vergleich: In unserem alten Harz IV-System lag das Schonvermögen zu jeder Zeit des Leistungsbezuges und bei Antragsstellung bei 5.000 Euro. Jeder Euro mehr musste an den Staat zurückgezahlt werden – oder die Leistung wurde bei ausreichend Vermögen gleich eingestellt. Jemand der 30.000 Euro auf dem Konto hat, hätte in unserem bisherigen System also keine Sozialhilfe bekommen – erst, wenn er sein Vermögen aufgebraucht hat. Bisher wurde die Wohnung des Antragsstellers außerdem auf Angemessenheit überprüft – in Bezug auf Größe und Kosten. Im ersten Jahr des Bürgergeldbezuges gilt das nicht mehr. Man kann also theoretisch in einer völlig überteuerten Penthouse-Wohnung leben und trotzdem Steuergelder kassieren.
Neben den neuen Bezügen gibt es auch Änderungen in den Aufgaben eines Sozialhilfeempfängers. Es soll ein größerer Wert auf das Vertrauen zwischen Jobcenter und Leistungsbezieher gelegt werden, ein sogenannter Kooperationsplan ist vorgesehen. Antragsverfahren werden generell vereinfacht – was auch immer das am Ende konkret bedeuten soll. Trotz all dieser sehr Sozialhilfeempfänger- und Faulenzer-freundlichen Neuerungen beschweren sich einige Leute, dass die halbjährige Vertrauenszeit ohne Sanktionen nicht eingeführt wurde. Das wäre ein halbes Jahr gewesen, in dem es für verpasste Termine und andere Formen der fehlenden Mitwirkung beim Jobcenter keine Sanktionen gegeben hätte. Jetzt können die Leistungen bei Termin Verstößen weiterhin bis zu maximal dreißig Prozent gekürzt werden – höhere Sanktionen wurden in den letzten Jahren für verfassungswidrig erklärt.
Die Italiener haben aus dem Fehler, in den wir grade reinschlittern, bereits gelernt
Während wir all diese Dinge einführen, soll das Bürgergeld in Italien abgeschafft werden. Die Italiener hatten es im Jahr 2019 ebenfalls mit dem Ziel eingeführt Jobs zu vermitteln – laut Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni habe das aber nichts gebracht, im Gegenteil. Meloni wurde von vielen Menschen gewählt, um das Bürgergeld wieder abzuschaffen. Sie machte damit Wahlkampf, nur Menschen zu unterstützen, die tatsächlich arbeitsunfähig sind. Menschen, die eigentlich arbeiten könnten, sollen keine Leistungen mehr erhalten. Genaue Pläne, wann es abgeschafft wird und wie es danach weitergehen wird, gibt es allerdings noch nicht.
Ein Unterschied bei Deutschland und Italien ist, dass es in Deutschland Weiterbildungsmaßnahmen gibt. Es ist also natürlich nicht alles genau gleich, trotzdem würde es uns sicher nicht schaden mal einen Blick zu unserem europäischen Nachbar zu werfen. Die Italiener, die es bereits für vier Jahre ausprobiert haben, sind nicht überzeugt – und das wird seinen Grund haben. Doch Deutschland schaut lieber weg und belehrt andere, als sich selbst einmal von Erfahrungen aus der Praxis belehren zu lassen. Und der Steuerzahler darf dafür auch noch tief in die Tasche greifen.