Big is beautiful? Disney verarscht Kinder in neuem Body-Positivity-Film


Von Laura Werz | Mit dem neuen Kurzfilm „Reflect“ ist Disney ein weiteres Mal vor der woken „Body-Positivity-Community“ eingeknickt. Der 6-minütige Animationsfilm zeigt die junge und moppelige Balletttänzerin Bianca, wie sie neben ihren schlanken Kameradinnen sichtlich unter ihrem Körper leidet. Ein Blick in den Spiegel macht das junge Mädchen unglücklich und unsicher. Aber wir wären nicht bei Disney, wenn es kein Happy End geben würde: In einem Solotanz die kleine Ballerina sich schließlich von den äußeren Ansprüchen „frei“ und akzeptiert sich selbst. Diese Message scheint auf den ersten Blick wichtig und richtig zu sein; – aber eben auch nur auf den ersten. Ich möchte nichts Negatives über Selbstakzeptanz und Selbstliebe sagen. Beides halte ich für wichtig und diese Werte sollten jungen Menschen auch vermittelt werden. Aber ich kaufe Disney diesen fragwürdigen Kurzfilm einfach nicht ab.

Warum? In den letzten Jahren und in kürzester Zeit wurde Disney vermehrt für seine sexistischen, unerreichbaren und idealisierten Körperbilder kritisiert. Schneewittchens Taille sei zu schmal, Cinderellas Augen zu groß und Dornröschens Beine zu dünn. Es ist offensichtlich, dass Disney lange Zeit das klassische Schönheitsideal in unerreichbarer Art und Weise darstellte. Die woke „Liebe dich wie du bist“-Bubble hat es heute dementsprechend auf unsere Kindheitsheldinnen und Prinzessinnen abgesehen. Inzwischen bemüht sich Disney in peinlicher Weise, sich durch unattraktive Hauptcharaktere mit goldenem Charakter von diesem Ruf zu lösen. Da fragt man sich doch, sind die Menschen nicht mehr in der Lage, zwischen Realität und Animation zu unterscheiden? 

Es ist ein auffälliger Trend in den neuen woken Filmen zu erkennen: Den Menschen wird nicht mehr zugetraut, Fiktion als solche zu erkennen und von der Realität zu abstrahieren. Ähnlich wie bei einer Karikatur, wurden in Animationsfilmen (nicht nur von Disney) typische Merkmale eines Charakters stets in übertriebener Weise ausgestaltet. So bekam der starke Mann Arme wie Baumstämme, der alte Herr einen Buckel und die schöne Frau eben die klassische Wespentaille. Sobald sich die Filmemacher wie gefordert von Äußerlichkeiten „frei machen“, können wir uns von auffälligen, klassischen und unterhaltsamen Stereotypen verabschieden. Dann ist Schluss mit übertriebenen Darstellungen, die dem Zuschauer ins Auge fallen und die Animationscharaktere werden ziemlich öde.

Die Tänzerin in „Reflect“ ist kein Hauptcharakter, den der Zuschauer auf den ersten Blick interessant oder faszinierend findet. Stattdessen ist Bianca ein auffällig moppeliges Kind, das offenbar Vorbild für andere dicke Kinder sein soll, sich selbst und ihre Figur zu akzeptieren. Das Problem ist doch nur: So wichtig diese Message ist – der Film übermittelt sie auf bekloppte Weise und verzerrt sie dadurch. Mollige Kinder, die diesen Film gucken, lernen: Ich kann alles werden, was ich will, auch prima Ballerina – und es ist im Leben völlig egal, wie ich aussehe. Aber das stimmt nicht. Jedes pummelige Kind, das sich nach diesem Film beim Ballet anmeldet wird dort härten denn je von der Realität getroffen werden: Denn Ballett ist bekanntlich ein Sport, in dem Untergewicht nicht nur Vorbild ist, sondern oft auch verlangt wird. Es wird weder die Ballettlehrerin noch die anderen Schüler interessieren, dass sich das Moppelchen gerade von seinen Vorurteilen „freigetanzt“ hat – stattdessen werden sie ihm immer wieder sagen, dass es abnehmen muss, wenn es hier was werden will.

Ja, Kinder sollten lernen, ihren Körper zu akzeptieren und sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen. Doch dicken Kindern hilft es nicht, wenn man sie in ein Umfeld von Untergewichtigen steckt – stattdessen würden liebevolle Eltern, ihr molliges Kind doch eher ermuntern, ein Hobby zu wählen, in dem es nicht so sehr auf die Körpermaße ankommt. Die Disney-Darstellung einer properen Ballerina ist einfach nur verblödend und wird erst recht dazu führen, dass moppelige Kinder mit völlig falschen Erwartungen in einen Ballettkurs gehen. Es ist die Aufgabe von Eltern, ihren Kindern bei zu bringen, dass Animationsdarstellungen nicht der Realität entsprechen. Wenn sie das tun, können die schlanke Prinzessin und der muskulöse Superheld für jedes Kind zum Vorbild werden – unabhängig von seiner Figur.