Berlin: Die Schicksalswahl für FDP und Linke
Von Willi Weißfuß | Mit der Abgeordnetenhauswahl in Berlin startet das Wahljahr 2023. Umso wichtiger ist es für die einzelnen Parteien gut abzuschneiden und den Schwung für die Wahlen in Bremen (14. Mai) sowie die Wahlen in Bayern und Hessen (jeweils 8. Oktober) nutzen zu können. Dabei stehen zwei Parteien unter besonderer Beobachtung: die FDP und die Linke.
FDP und das Spiel mit der 5% Hürde
Die Ausgangslage der FDP: Nach einem desaströsen Wahljahr 2022 mit massiven Verlusten bei der Landtagswahl in Nordrhein Westfahlen (von 12,6% auf 5,9%) Schleswig-Holstein (von 11,5% auf 6,4%) sowie dem Scheitern an der 5% Hürde in Niedersachsen steht für die FDP viel auf dem Spiel. Den historisch größten Erfolg bei einer Abgeordnetenhauswahl in Berlin erzielte die FDP im Jahre 1950. 23,1% der Westberliner Wähler gaben der FDP ihre Stimme. Von solchen Ergebnissen kann die FDP aktuell nur träumen. Im wiedervereinigten Berlin hat die FDP bei 3 der 8 Wahlen den Einzug in das Abgeordnetenhaus verpasst. Zum letzten mal verpasste die FDP den Einzug im Jahre 2011 wo nur 1,8% der Wähler der FDP ihre Stimme gaben. Die FDP bei den letzten beiden Wahlen (2016, 2021) mit 6,7% bzw. 7,2% die 5% Hürde eindeutig überspringen. Die FDP ist, genauso wie die CDU, traditionell in Westberlin stärker als in Ostberlin.
Die Umfragen sehen für die FDP nach einer Zitterpartie aus. Während das Institut Wahlkreisprognose die FDP bei 4% sieht, misst Infratest dimap 6% Zustimmung für die Freien Demokraten in Berlin. Für die FDP kommt erschwerend hinzu, dass die CDU sowohl auf Bundes als auch auf Landesebene im Aufwind ist.
Nach der Wahl: Für die FDP kann es eine lange Wahlnacht werden. Wenn die FDP den Einzug in das Abgeordnetenhaus schafft gibt es jedoch einige Koalitionsoptionen. In Berlin wird es, wenn die FDP den Einzug in das Abgeordnetenhaus schafft, wahrscheinlich nur die Möglichkeit von Dreier Koalitionen geben. Eine Jamaika, Ampel oder Deutschlandkoalition können mit der FDP gebildet werden auch wenn dies sehr unwahrscheinlich ist. Eine Regierungsbeteiligung in Berlin wäre für die FDP ein großer Erfolg. Die FDP war seit der Wiedervereinigung nicht mehr an einer Regierung in Berlin beteiligt.
Im Falle einer Fortsetzung ihrer negativ Serie wird die FDP ihr Beteiligung an der Ampelregierung auf Bundesebene überdenken müssen. Die Verluste der FDP erinnern an die Zeit der schwarz gelben Bundesregierung in der Zeit 2009-2013. Die FDP brach im März 2011 ein. Die Negativ-Serie, welche durch Wahlerfolge wie zum Beispiel bei der Landtagswahl in Niedersachsen 2013 kurzzeitig unterbrochen wurde, hatte den ersten Bundestag ohne Abgeordnete der FDP zur Folge. 2017 hatte die, wieder auferstandene, FDP noch das Motto „Besser nicht regieren, als falsch“. Vielleicht wird sich Christian Lindner an die Vergangenheit erinnern und Konsequenzen ziehen.
Die Linke und eine zukunftsweisende Wahl
Die Ausgangslage der Linken: Für die Linke war 2022 ein sehr schlechtes Wahljahr. Im Saarland, einer ehemaligen Hochburg der Linken, ist die Linke mit einem Verlust von über 10% sensationell aus dem Parlament geflogen. Bei allen anderen Landtagswahlen (in keinem war die Linkspartei vertreten gewesen) konnte die Linke ihr Ergebnis verschlechtern und ist teilweise den 0% näher als den 5%. Bei der Bundestagswahl 2021 waren die beiden gewonnen Direktmandate in Treptow-Köpenick und Lichtenberg ein entscheidender Faktor für den Einzug in den Bundestag. Umso mehr wird das Abschneiden in den beiden Linken-Hochburgen beobachtet.
Die Linke ist aktuell in zwei Lager geteilt: Wagenknecht und der Rest. Dieser Kampf scheint aktuell unlösbar. Inwiefern dies schadet bleibt abzuwarten. Die Linke nahm 2011 das erste mal an einer Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin teil. Bei den Wahlen zwischen 1990 und 2006 kandidierte jeweils die Vorgänger der Linkspartei, die SED unter dem Namen PDS und im Jahre 2006 zusätzlich noch die WASG. Aus der PDS und der WASG entstand erst im Jahre 2007 die Linkspartei. Die PDS erzielte im Jahre 2001 ihr bestes Ergebnis mit 22,6 %. Bei den letzten beiden Wahlen erreichte die Linkspartei mit 15,6% und 14,1% jeweils solide Ergebnisse und durfte in einer rot-rot-grünen Regierung mitregieren. Die Linkspartei ist traditionell in Ostberlin stärker als in Westberlin. Aktuelle Umfragen sehen die Linkspartei leicht schwächer als 2021 bei etwas über 10%.
Nach der Wahl: Neben den zu erwartenden Verlusten steht für die Linke eine Regierungsbeteiligung auf dem Spiel. Zwar haben die Koalitionäre ihr Interesse an einer Weiterführung der Koalition bekundet, aber ob dies auch noch nach der Wahl gilt bleibt abzuwarten. Sollte beispielsweise schwarz-grün nach der Wahl möglich sein wäre dies, aus Sicht der Postenverteilung, für die Grünen eine interessante Option, sofern diese nicht den Bürgermeister in einer rot-rot-grünen Regierung stellen können. Ein schlechtes Wahlergebnis der Linken wird dem Wagenknecht-Flügel und den Seperationstendenzen selbiger Aufschwung geben. Ob die Linke nach der Wahl noch in der heutigen Form existiert bleibt abzuwarten.
Liebe Leute von Apollo! Ich finde das ja toll, dass Ihr das Wahlchaos aufgedeckt habt – aber nun? Letztes Mal wusste ich wenigstens noch, was ich wählen wollte… Und diese Jarrasch ist wie aus einem meiner Albträume entsprungen. Allein wenn die Linken rausflögen, wär das ein kleiner Trost. Könnt Ihr nix für, ich weiß… 😉