Antifa: Historische Linien und deutsche Naivität
Von MAX ROLAND | Der Begriff „Linksautonome“ ist spätestens seit den eskalierten G20-Protesten in Hamburg allgemein bekannt. Ein Begriff, der verharmlost, was man am rechten Rand kompromisslos beim Namen nennen würde: extremistische Gewalttäter. Unter dem Begriff „Antifaschistische Aktion“ oder auch „Antifa“ ist eine Vielzahl von linksextremistischen Gruppen lose organisiert, Gruppen, die sich teils gegenseitig ablehnen. Vereinen tut sie jedoch einiges: Die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als Staat, die Ablehnung des Kapitalismus, kurz die Ablehnung unseres Systems. Und: Der Antifaschismus. Kampf gegen Faschisten ist doch etwas Gutes, oder etwa nicht? Ist es nicht der Faschismus gewesen, der Deutschland 1933 ins Dunkel stürzte? Mit dieser Haltung wird die „Antifaschistische Aktion“ gerne verharmlost. Zwei Probleme sind jedoch zu beachten: Die politische Einstellung der Antifa und der damit verbundene Faschismusbegriff.
Die Antifa geht zurück auf die „Antifaschistische Aktion“ in der Weimarer Republik, ursprünglich ein Kampfkollektiv des gesamten linken Spektrums. An dieses Kollektiv knüpfte in den 70er Jahren der „Kommunistische Bund“ (KB) an, der vorallem im Norden der Bundesrepublik verankert war. Mit Faschismusanalysen aus den 1920er und 1930er Jahren versuchte man, sich eine theoretische Legitimation zu geben. Der KB war aus der APO entstanden und vertrat eine „Faschistisierungsthese“: Die Bundesrepublik sei zu einem „präfaschistischen“ Staat geworden. Die aktuelle Faschismusgefahr sah der KB außerdem darin, dass die „kapitalistischen Metropolen“ auf mehrere gleichzeitige „antiimperialistische Aufstände“ mit einer „präventiven Konterrevolution“ reagieren könnten. Der Tod Benno Ohnesorgs und die Antiterrormaßnahmen gegen die RAF galten als vermeintlicher Beweis dafür, dass die BRD auf dem Weg zur faschistischen Diktatur sei. 1974 gründete der KB eine zentrale Antifa-Kommission für den bundesweiten Kampf gegen organisierte Neonazis und deren Veranstaltungen. Sie betrieb systematische Recherchen zum Aufdecken von Nazistrukturen und wurde damit stilbildend für die gesamte spätere Antifa-Arbeit, besonders die der „Autonomen“. Zu Beginn der 80er Jahre kam es zum Zerwürfnis zwischen Antifa-Gruppen und dem KB. Der KB forderte ein staatliches NPD-Verbot, was durch die Antifa kritisiert wurde. Mit der Verbotsforderung fehlte für sie die Abgrenzung vom Staat. Ähnliche Debatten führten zur bundesweiten Trennung zwischen „Autonomen“ und den bürgerlichen Antifaschisten. Die Autonomen sind die, über die man redet, wenn man den Begriff „Antifa“ verwendet.
Um die Problematik des Begriffes „Antifaschismus“ zu beleuchten, müssen wir einen kleinen Zeitsprung machen. Grigori Jewsejewitsch Sinowjew, Sowjetischer Politiker, Weggefährte Stalins und Chef des Exekutivkomitees der Komintern, prägte 1924 den Begriff „Sozialfaschismus“:
„Der Faschismus ist eine Kampforganisation der Bourgeoisie, die sich auf die aktive Unterstützung der Sozialdemokratie stützt. Die Sozialdemokratie ist objektiv der gemäßigte Flügel des Faschismus. […] Diese Organisationen schließen einander nicht aus, sondern ergänzen einander. Das sind keine Antipoden, sondern Zwillingsbrüder.“ Nun will ich damit nicht sagen, dass die SPD in Antifa-Kreisen als faschistisch gilt. Um dem Kern des Problems ein wenig näher zu kommen, ist es wichtig anzuerkennen, dass für die extreme Linke Kapitalismus und Faschismus untrennbar verbunden sind. Am 09.03.2009 schreibt Klaus Maler, Gewerkschafter bei IG Metall, einen Gastbeitrag auf dem Antifa-Blog www.antifainfoblatt.de. Der Titel: „Kapitalismus führt zu Faschismus? Über die Notwendigkeit, sich mit der Krise zu beschäftigen“. Klar wird: Maler sieht den Faschismus als ein Werkzeug der „Bourgeoisie“ (im Einklang mit marxistischen Politikern wie Clara Zetkin, die den Faschismus als „Kapitalismus in der Krise“ definierten, oder mit der Dimitroff-These, die den Faschismus als die „chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ definiert). Wenn Kapitalismus und Faschismus aber untrennbar verbunden sind und die SPD den Kapitalismus (wenn auch eine linke Art) verfolgt, dann ist die SPD auch ein Teil des Problems, wie bereits im vorherigen Abschnitt erläutert.
Zwei Dinge sind also festzuhalten. Erstens: Der Kapitalismus und Faschismus sind für die Antifa untrennbar miteinander verbunden. Zweitens: Jeder, der nicht die vollständige Abschaffung des Kapitalismus fordert und fördert, ist folglich im „antifaschistischen Kampf“ zu bekämpfen. Und hier liegt das Problem. Aus dieser Haltung heraus ergibt sich die demokratiefeindliche Haltung der Antifa. Eine Haltung, die in der Bundesrepublik gefährlich verharmlost wird. Antifa-Aktivisten stehen in der Mitte von Gewerkschaften und Parteien. Sowohl die SPD als auch die Grünen und gerade die Linkspartei haben immer wieder Verbindungen zur Antifa, z.B. bei Demos oder Aktionsbündnissen. Jüngst fanden sich unter anderem die Unterschrift von Katharina Barley, Eva Högl (ehemalige Vizefraktionschefin der SPD im Bundestag), Katrin Göring-Eckhard, Katja Kipping, Cem Özdemir und Dietmar Bartsch unter einem Aufruf des Aktionsbündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“. Dieses Bündnis wird vom Verfassungsschutz beobachtet: Wohl auch, weil es Beutel mit allem, um AfD-Wahlkampfstände „unschädlich“ zu machen verteilt und Seite an Seite mit der sogenannten „interventionistischen Linken“ steht, einer Gruppierung, deren Anhänger sich mit Terroranschlägen auf die Bundeswehr mit Schäden in zweistelliger Millionenhöhe solidarisieren. Man kann sagen, was man will: Dass linksextreme Strukturen bis weit in die linke Hälfte des Bundestages hineinreichen, ist nicht wegzudiskutieren. Eine Verharmlosung von Linksextremen, ja sogar Linksterroristen ist die Folge. Es ist naiv, solche Leute als Verteidiger der Demokratie zu sehen, weil sie gegen echte und vermeintliche Nazis kämpfen. Und es ist gefährlich, als Gewerkschaften und Parteien solche Leute aktiv zu Unterstützen.
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Sehr guter artikel, historisch sehr gut recherchiert! Weiter so!