Anti-Kopftuch-Bewegung im Iran: Deutsche Journalistin wirft Aktivistinnen Verbreitung „westlicher Ideologien“ vor

Von Laura Werz | Masih Alinejad ist mit 7 Millionen Followern in den Sozialen Medien eine der prominentesten Kritikerinnen des iranischen Mullah-Regimes. Sie engagiert sich insbesondere im Kampf gegen den Kopftuchzwang für Frauen in ihrem Heimatland. Besonders viel Aufmerksamkeit erlangte die von ihr unterstütze Bewegung, in der iranische Frauen auf Videos aus Protest gegen patriarchale Gesetze das Kopftuch ablegen. Die jungen Aktivistinnen riskieren in ihrem Heimatland Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren, wenn sie Alinejad solche Videos zusenden. Inzwischen lebt die Journalistin in den USA, wo sie seit drei Jahren auch Staatsbürgerin ist. Doch selbst dort lebt sie nicht ungefährlich. Laut dem FBI wird sie vom iranischen Geheimdienst überwacht und ausspioniert.
Masih Alinejad erfährt nicht nur Zuspruch für ihren Einsatz. Im Gegenteil: Sie muss viel Kritik von westlichen Feministinnen in Kauf nehmen. Vor nicht einmal zwei Wochen hat die taz-Korrespondentin Julia Neumann in einem Kommentar moniert, dass nicht das Kopftuch das Problem sei, das es zu bekämpfen gelte. Laut Neumann bediene Alinejad „die Erzählung, dass Frauen vom Kopftuch und damit vom Islam befreit werden müssten“. In Wahrheit seien das aber „westliche Ideologien“. Ihr Argument: In Deutschland komme ja auch niemand auf die Idee, Nonnen zu ermuntern, ihr Kopftuch abzulegen und so gegen das Patriarchat der Kirche zu kämpfen. Echt jetzt? Was ist das für ein Vergleich? Nonnen können den Orden stets verlassen und es gibt nicht einmal eine strenge Kopftuchpflicht. In Deutschland leben knapp 18.000 Nonnen, von denen manche freiwillig ein Kopftuch tragen. Im Iran hingegen leben über 83 Millionen Menschen, etwa die Hälfte davon Frauen, welche zum Kopftuchtragen verpflichtet sind. Halten sie sich nicht daran, müssen sie die Sittenpolizei und hohe Strafen fürchten.
Weitere Top-Argumente von Neumann: Männer im Iran würden ja auch einem Kleidungszwang unterliegen. Außerdem sei es ein furchtbarer kolonialistischer Gedanke, dass weiße Männer Frauen im Iran schützen wollen. Ja, genau! Die armen iranischen Männer müssen ja auch Knie und Schultern verdecken! Und wenn sie es einmal wagen, im Tanktop aus dem Haus zu gehen, stürzen sich plötzlich prügelnde Frauenhorden auf sie. Ist doch so! Wir im Westen sollten uns da nicht einmischen. Vielleicht sind die iranischen Männer, die öffentlich auf Frauen eindreschen, die kein Kopftuch tragen, ja eigentlich ganz sensible und nette Gesellen. Das können wir aus der Ferne doch gar nicht beurteilen.
Bei solchen Aussagen zieht sich bei mir alles zusammen. Bis zu einem gewissen Punkt schätze ich ja persönlich ebenfalls politische Zurückhaltung, wenn es zu fremden Kulturen und Bräuchen kommt, die man selbst nicht aus der eigenen Realitätserfahrung kennt. Der wesentliche Unterschied ist hier aber: Masih Alinejad ist Iranerin, daran ändert auch ihr amerikanischer Pass nichts. Sie weiß, wovon sie spricht. Schließlich hat sie es selbst erlebt.
Julia Neumann versucht in ihrem Kommentar, den Aktivismus von Masih Alinejad mit unhaltbaren Vergleichen und antiwestlichen Schimpftiraden zu delegitimieren. Dabei lässt sie die eigenen Lebenserfahrungen von Masih Alinejad vollkommen unerwähnt. Selbst wenn einem das Vorgehen von Masih Alinejad nicht in dem Kram passt, man muss doch anerkennen, dass Frauen im Iran auch mit Hilfe der Reichweite von Alinejad für mehr Rechte kämpfen. In Julia Neumanns Kommentar bekommt man jedoch den Eindruck, dass die iranischen Frauen heulende Mimosen seien, die mal lieber mehr Verständnis für die islamische Kultur zeigen sollten, anstatt sich für ihre egoistischen Nischen-Interessen einzusetzen.
Neumann schreibt: „Wer wirklich etwas für Frauen tun möchte, muss das Patriarchat bekämpfen – und steht damit vor einem Konstrukt aus globaler Politik, Kapital, Macht und Institutionen.“ Ja genau, Julia, an der Unterdrückung iranischer Frauen ist eigentlich die kapitalistische Weltverschwörung schuld – nicht das iranische Scharia-Regime.
Das Kopftuch wird im Islam als Zeichen der Unterdrückung genutzt und hat mehr als einen reinen Symbolcharakter. Die Abkehr von einem derartigen Unterdrückungssymbol kann sehr wohl ein erster Schritt zu mehr Gleichberechtigung darstellen. Um diese Gleichberechtigung herzustellen, braucht es die Öffentlichkeit. Es braucht die Kritik westlicher Länder an den frauenfeindlichen Gesetzen des Mullah-Regimes. Nur mit Druck auf die iranische Regierung kann vielleicht erreicht werden, dass diese eines Tages den Kopftuchzwang abschafft, um sich weiter politisch halten zu können.
Es ist absurd, dass westliche Feministinnen jeden Tag die vermeintliche Unterdrückung der Frau in ihrem Heimatland anklagen, aber sich beim Kopftuch-Thema auf die Seite der Unterdrücker stellen. Zum Glück gibt es Frauen wie Masih Alinejad, die bei diesem Irrsinn nicht mitmachen.
Die Äußerungen der taz-Schmierfinkin (habe ich das jetzt korrekt gegendert?) zeigen die ganze Verlogenheit und Dummheit des angeblichen Feminismus unserer Gesellschaft. Warum ruft Frau (oder ist sie etwa nicht-binär?) Neumann nicht gleich alle Emanzen der westlichen Welt dazu auf, aus Solidarität mit den emanzipierten Muslimas freiwillig und gerne Kopftuch – oder am besten gleich Burka oder Hijab – zu tragen.