Afrin-Demo in Berlin: Wie westlich sind die Kurden?

Von AIR TUERKIS | Gestern war in Berlin die Hölle los: 1000e demonstrierten gegen den türkischen Angriff auf Afrin, im kurdischen Nordsyrien. Auch das Treffen der LJB-Berlin kam an ihnen nicht vorbei. Wir verfolgten die Demo also und versuchten herauszufinden, wie stark man als Liberale die kurdische Bewegung in Deutschland unterstützen kann. Für die Freiheit des kurdischen Volkes sind wir allemal, doch inwiefern kann man auch die Demos unterstützen?

Als erstes begannen wir die Symbolik der Demonstranten zu analysieren. Es gab Plakate und Sprüche gegen Erdogan und die deutschen Waffenlieferungen in die Türkei („Deutsche Panzer raus aus Kurdistan!“) und ansonsten vorallem ein Meer aus Flaggen. Neben den 2 verschiedenen kurdischen Nationalflaggen waren sehr häufig die grün-gelben Dreieckswimpel der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten YPG und YPJ zu sehen. Sie gehören offiziell der PKK an und haben den kommunistischen Stern auf ihrem Banner, werden aber im Westen nicht als Terroroganisation geführt und sind im Gegenteil sogar Bündnispartner der USA. Wieviel Sozialismus hier tatsächlich drin steckt, bleibt fraglich: In erster Linie führt man Krieg gegen IS und die Türkei.

Wir umkreisten die noch-stehende Demo dann und sahen unter anderem Sticker mit der Aufschrift „PKK? Na klar!“, was uns etwas ins Zweifeln brachte. Dann entdeckten wir den Wagen der MLPD, um den sich auch Palästina-Flaggen angesammelt hatten. Von diesem Wagen hieß es von einer schrillen Frauenstimme: „PKK-Flaggen sind heute leider verboten“ (Buh-Rufe).

Nachdem Sprechchöre mit „Hoch die internationale Solidarität“  erklangen, kam es uns langsam die Galle hoch. Immer mehr entdeckten wir Flaggen der AntiFa, die unter anderem auch „Deutschland, du Hund!“ propagierte. Als diese jungen Deutschen in schwarzen Klamotten begannen, das PKK-Verbot zu kritiseren und Öcalan (PKK-Gründer) als Helden zu betiteln, bewegte sich die Demo in Richtung Zwangsauflösung, und unsere Laune war im Keller. Wir blieben also stehen und ließen die Demo an uns vorbei ziehen. Bis sich das Klientel der Demonstranten, je weiter wir an das Ende der Demo kamen, wandelte. Nun kamen die Kurden selbst. Hier gab es keine AntiFa-Flaggen mehr. Und als wir dann noch Israel-Flaggen zu Gesicht bekamen, wurde unser Interesse wieder geweckt. Wir gingen also weiter mit dem Zug mit und erlebten, wie Kurden den Trägern von Israelflaggen auf die Schulter klopften.

In einer Demo waren also Palästina- und Israelflaggen, waren deutsche Linksradikale und kurdische eher bürgerlich-Orientierte zu sehen. Ein Widerspruch in sich, genau wie die unzähligen türkischen Brigaden im nahen Osten. Einerseits schreibt man sich den Sozialismus auf die Fahne, andererseits setzt man diesen kaum durch – die kurdischen Gebiete sind ja durchaus relativ westlich.

Die kurdische Bewegung wird auf jeden Fall sehr stark von der westlichen Linken versucht zu vereinnahmen. Es waren Deutsche, die die harten Töne anspielten und es war die MLPD, die die kurdische Bewegung stets an die Seite der Free-Palestine-Bewegung zu drängen versuchte. Doch einem vernünftigen Kurden sollte klar sein: Die Palästinenser sind genau die, die mit den Unterdrückern des kurdischen Volkes unter einer Decke stecken. Eine kurdisch-israelische Allianz ist logisch und das scheint vielen Kurden auch klar zu sein.

Um auf meine Eingangsfrage zurückzukehren: Die Bewegung ist gespalten! In Kopftuchträgerinnen und bewusst westliche Frauen, in Sozialisten und Bürgerliche, in Antiozionisten und Israelsolidarische. Besonders wir Deutschen sind Schuld, dass die Bewegung in die falsche Ecke gedrängt wird. Doch die YPG und die Peschmerga würden niemals reinen Gewissens an der Seite der Steineschmeißer stehen!