Actionserie ohne Action – dafür mit viel Kapitalismus-Kritik

Von Leon Hendryk | Auf so einer Ölbauplattform mitten im Nordatlantik kann es schon mal langweilig werden. Weit weg von Freunden und Familie, entweder am Arbeiten oder eingesperrt in einer engen Kajüte und ohne die Möglichkeit, einfach mal rauszugehen. Blöd, wenn dann auch noch das Internet ausfällt. Noch blöder, wenn die gesamte Kommunikation mit dem Festland zusammenbricht und sich ein unheimlicher, dichter Nebel über die gesamte Plattform legt.
Dies ist die Prämisse der vor wenigen Tagen erschienenen ersten Staffel der Serie „The Rig“. Die Serie wurde exklusiv für Amazon Prime produziert und spielt auf der fiktiven Ölbohrplattform „Kinloch Bravo“ im Atlantik vor der schottischen Küste. Nachdem die Kommunikation mit dem Festland abgebrochen ist und der Nebel die Plattform verschlungen hat, ereignen sich unheimliche, übernatürliche Vorkommnisse auf der Plattform. Eines muss man der Serie lassen: Das Szenario an sich ist spannend, die Cinematographie überzeugend. Doch nach den ersten beiden Folgen stellt sich leider Langeweile ein. Die Geschichte entwickelt sich nicht mehr weiter, sondern wird träge, zudem versuchen die Serienautoren immer wieder auf plumpe Art und Weise Gesellschafts- und Kapitalismuskritik in ihren Dialogen unterzubringen – und das ist dann doch etwas zu viel Blödsinn auf den Feierabend.
Die Belehrungsmaßnahmen passieren meist per Holzhammermethode und wirken völlig deplatziert – so kommt es etwa zu halbminütigen Vorträgen der Charaktere über die Umweltzerstörung, die der Mensch durch den Abbau fossiler Brennstoffe anrichtet. Kostprobe gefällig? „Bald gibt’s nichts mehr zu ernten, so wie wir die Atmosphäre verpesten! […] Wir, die großartige Menschheit, wir haben die Welt gefickt. Und jetzt wundern wir uns, wenn sie uns fickt!“ Zwei Minuten später sind die gerade noch so umweltbewussten Ölarbeiter dann wieder sichtlich erregt, weil sie herausfinden, dass die Ölfirma ihre Plattform wegen Unrentabilität aufgeben will. So recht passt das nicht zusammen.
Eine wahre Perle der Kapitalismuskritik findet sich im Bösewicht der Serie, einem Manager der Erdölfirma Pictor, der immer wieder „klare Ansagen“ zu deren Geschäftsmodell macht. Angesprochen auf das Leid der Crew, erklärt er beispielsweise: „Pictors Business ist das Ressourcenmanagement. Wir finden sie, beuten sie aus und ziehen weiter. Und das gilt genauso für menschliche Ressourcen!“ Die eigentlich interessante Figur verkommt so zu einer absurden Karikatur eines gewissenlosen Hyperkapitalisten. Das ist schade, denn es gibt durchaus ernsthafte Kritik an der Offshore-Erdölförderung, die man aufgreifen könnte. Von tödlichen Arbeitsunfällen, bis hin zu aus Kostengründen schlecht ausgeführten Wartungsarbeiten, die zu Ölkatastrophen im Meer führen, hat die Industrie sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges zu Schulden kommen lassen. Doch statt einer ernsthaften Auseinandersetzung damit, wird das Thema durch den klischeehaft bösen und menschenverachtenden Manager ins Lächerliche gezogen.
Plump ist allerdings nicht nur die in der Serie vorgetragene Gesellschaftskritik, sondern auch die Charakterdarstellung der Hauptfiguren. Die sind gereizter als ein durchschnittlicher arabische Neubürger in seinem Neuköllner Kiez, nachdem man gerade seinen Leasing-Mercedes zerkratzt und seine Mutter beleidigt hat. Beim kleinsten Problem oder Rückschlag kommt es bei ihnen zu regelrechten Wutanfällen und irrationalen Frustreaktionen. Die Figuren, von Magnus, dem bärtigen Chef der Plattform über Hutton, dem aufwieglerischen Vorarbeiter oder der Wissenschaftlerin Rose, scheinen zu jedem Zeitpunkt völlig mit der Situation überfordert. Die Serie leidet sehr unter ihren völlig überspielten und irrational handelnden Figuren. Zudem ist auch „The Rig“ vom Diversity-Virus befallen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Schauspieler sind europäischer Abstammung. Ob diese ethnische Zusammensetzung der Crew mit der Realität auf schottischen Ölbohrinseln übereinstimmt ist fraglich. Naja, Schwamm drüber. Immerhin könnte das extrem gereizte Auftreten der Figuren erklären, warum nur etwa acht der rund 30 Arbeiter der Plattform in der Serie überhaupt eine Rolle spielen. Der gesamte Rest der Crew wird nur an wenigen Stellen im Hintergrund gezeigt, bleibt aber ansonsten vollkommen passiv. Möglicherweise wissen sie, wie irre und streitsüchtig ihre Kollegen mit Sprechrolle sind und meiden sie deshalb.
Schlimmer noch als die überspielten Figuren und die unpassenden Öko-Predigten ist allerdings das Problem, dass der sechsteiligen Serie schon nach zwei Folgen die Ideen ausgehen. Nach der zweiten Folge passiert schlichtweg nicht mehr viel. Erst in der letzten Folge tut sich wieder etwas, allerdings endet die Serie dann mit einem recht unbefriedigenden Cliffhanger. Das ist insbesondere für Zuschauer ärgerlich, die sich wie ich durch die vorherigen Folgen gequält haben, um zu sehen, wie die Geschichte ausgeht. Der Cliffhanger soll wohl das Fundament für eine zweite Staffel legen. Ob die allerdings tatsächlich kommt, ist äußerst fraglich, denn auch andere Zuschauer der Serie fanden sie eher mittelprächtig. Abschließend kann man sagen, dass „The Rig“ sein Potential leider verschenkt. Als dreiteilige Miniserie hätten das interessante Szenario und die eigentlich recht gut durchdachte Geschichte vielleicht für mehr Spannung gesorgt. Doch auf sechs Folgen gestreckt wird die Langeweile zur größten Gefahr auf der Bohrinsel – und im Wohnzimmer des Zuschauers.
Danke für die Besprechung. Kann ich mir also die Serie sparen.
Mir geht es ähnlich. Ich schaue mittlerweile keine Serie mehr. Ausnahmen sind Kurzserien oder Miniserien. Dort ist definitiv ein Schluß und kein Cliffhanger.
Viele Serien ziehen sich wie altes Kaugummi um dann in einem offenen Ende auszuhören. Und das Beste ist: Netflix cancelt die geplante zweite Staffel. Was soll das?
Und wenn ich politisch belehrt werde oder mir ein schlechtes Gewissen gemacht wird schalte ich direkt ab.