9. Türchen | Der Nussknacker und der Mäusekönig

Von Jonas Kürsch | Die Weihnachtszeit ist angebrochen und ich muss voller Erstaunen feststellen, dass ich mich zum ersten Mal seit Beginn der Coronazeit wieder richtig auf den 24. Dezember freue! Ich hätte kaum damit gerechnet, schließlich liegen mir auch die zweieinhalb vergangenen Jahre noch schwer im Magen und mir ist noch immer bewusst, dass sich kaum eines der politischen Probleme in den kommenden Monaten auf Anhieb wieder auflösen wird. Allerdings habe ich in den letzten Wochen begriffen, dass es gerade in Krisenzeiten darauf ankommt, an lebensbejahenden Bräuchen wie Weihnachten verstärkt festzuhalten.
Es mag dem einen oder anderen im Moment sehr schwer fallen, in Weihnachtsstimmung zu kommen, wo die politische und wirtschaftliche Situation dermaßen instabil und die Zukunft so ungewiss wie selten zuvor erscheint. Ähnlich habe ich mich im letzten Jahr während des Coronawahnsinns der Ampelregierung gefühlt, der zu diesem Zeitpunkt ein fast schon komisches Ausmaß an Idiotie angenommen hatte. Dann entdeckte ich durch Zufall in einer Buchhandlung einen alten Weihnachtsklassiker wieder, den ich schon zu Kindertagen sehr geliebt habe und der mir die Vorweihnachtszeit wenigstens ein bisschen versüßen konnte: es handelt sich dabei um die deutsche Erzählung vom „Nussknacker und Mausekönig“.
Das Märchen wurde vor mehr als 200 Jahren vom deutschen Schriftsteller E. T. A. Hoffmann geschrieben, der den meisten Literaturliebhabern (und frustrierten Absolventen des Deutsch-Leistungskurses) vermutlich als Erzähler von makaberen Schauergeschichten wie „Der Sandmann“ in Erinnerung geblieben sein dürfte. Obwohl es in diesem Buch nicht um ausgestochene Augen, bizarre Liebesaffären mit Robotern oder brutale Selbstmorde geht, ist der dunkelromantische Schreibstil des berühmten Dichters auch in dieser Weihnachtsgeschichte klar zu erkennen.
Die Erzählung handelt von einem jungen Mädchen namens Marie, dem die Eltern zusammen mit ihren Geschwistern einen kleinen Nussknacker zu Weihnachten schenken. Als ihr Bruder Fritz das Spielzeug durch sein unachtsames Verhalten zerbricht, bandagiert sie den kleinen Soldaten mit einer Schleife und stellt ihn zurück in die gemeinsame Spielzeugvitrine. Recht schnell bemerkt sie jedoch, dass der kleine Nussknacker kein normales Spielzeug ist, sondern ein schöner Jüngling aus einem magischen Königreich, der durch die Zauberkräfte einer bösen Mäusehexe mit einem Fluch belegt wurde. Er ist dem kleinen Mädchen aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft dankbar und beschützt sie vor dem niederträchtigen Mausekönig, einem siebenköpfigen Ungeheuer, das die Kinder des Hauses schon seit längerem mit seiner Präsenz terrorisiert.
Das Buch hat mich als Kind vor allem aufgrund seiner radikalen Abkehr von den vorherrschenden Klischees einer „kitschigen Weihnachtsgeschichte“ sehr fasziniert. Hoffmann skizziert in seinem Buch kein weichgespültes Wohlfühl-Szenario, wie man es gerade aus der jüngeren Weihnachtsliteratur kennt, sondern eine wirklich spannende Kindergeschichte mit einigen überraschend schaurigen Elementen. Besonders die gruselige Darstellung des monströsen Mausekönigs ist ein aus heutiger Sicht ungewöhnliches Stilmittel, das der Geschichte ihren ganz besonderen Charme einverleibt.
Die Erzählung vom „Nussknacker und Mausekönig“ ist auch heute noch eines der wichtigsten literarischen Kulturgüter aus Deutschland, denn die beliebte Weihnachtsgeschichte ist weltweit bekannt. Sie wurde im Laufe ihres langen Bestehens schon dutzendfach und in diversen Sprachen adaptiert, wobei die wohl bekannteste Neufassung aus der Feder des russischen Komponisten Pyotr Ilyich Tchaikovsky stammt, der basierend auf Hoffmanns Sujet eines der berühmtesten Ballettstücke aller Zeiten geschaffen hat.
Wer also den Wunsch nach einer gehörigen Portion vorweihnachtlicher Freude verspürt, dem sei dieses schöne deutsche Weihnachtsmärchen wirklich zu empfehlen. Die kreative und bunte Erzählweise Hoffmanns versetzt einen in die ideale Stimmung, um mit kindlicher Vorfreude auf den bevorstehenden Heiligabend zu blicken – zumindest ist das bei mir der Fall gewesen!