18. Türchen | Die Feuerzangenbowle – eine Portion Nostalgie

Von Jonathan Sieber | Weihnachten ist das Fest des Glaubens, der Liebe – und des Wünschens. Vielleicht ist das auch gerade der Grund dafür, dass sich „Die Feuerzangenbowle“ fest als Film im Weihnachtsrepertoire des deutschen Fernsehens etabliert hat. So geht es doch im Grunde um die Sehnsucht nach einer unbeschwerten Jugend in zurückliegenden Zeiten, um das Sich-Zurück-Wünschen in eine scheinbar unerreichbare Vergangenheit. Das, was die unter Einfluss der starken Bowle zwischen Witz und Sentimentalität schwankenden Herren spät abends in einem gotischen Gasthaus von sich geben, ist unschwer als Liebeserklärung an die verschrobenen Lehrer, originellen Klassenkameraden und legendären Streiche der eigenen Schulzeit zu verstehen. Und so wird Pfeiffer kurzerhand als Pennäler verkleidet und besucht noch einmal die Oberprima eines weltentrückten Gymnasiums.
Schon Babenberg – der fiktive Ort des Geschehens im kaiserzeitlichen Deutschland – ist eine Kleinstadt, wie sie heute schlechterdings nicht mehr vorzufinden ist. Sie taugt dem deutschen Fernsehpublikum daher umso besser als Fluchtort aus dem bisweilen verflachten Alltag. Gemütliche Gasthöfe, biedere Bürger, verwinkelte Gassen, ein humanistisches Gymnasium und aus der Zeit gefallene Lehrer prägen das im Tal liegende Städtchen – ganz ohne Speckgürtel, Tankstellen und Einkaufszentren.
Dafür rauscht im Film mehrfach der Wald, welcher ein Zeuge der Annäherung des scheinbar verjüngten Hans Pfeiffer und Evas, der Tochter des altphilologisch veranlagten Schuldirektors „Zeus“, wird. Überhaupt ist es so eine Sache mit der Liebe: Pfeiffer verlässt die elegante und mondäne Berliner Dame Marion und verliebt sich in die strohblonde Exponentin der deutschen Kleinstadt. Es sind Unschuld, Naivität, Liebreiz und erster Schmelz der Direktorentochter Eva, welche Pfeiffer von der klugen, berechnenden und überlegenen Schönheit Marions entfremden. Denn jung, verliebt, mit dem Kopf voller Unsinn und einem gesunden Appetit lebt sich’s am besten – das weiß auch Hans Pfeiffer.
Zwar gibt es vieles von dem, was wir an der „Feuerzangenbowle“ schätzen, heute gar nicht mehr – solche Lehrer, solche Damen, solche Städtchen – aber als Liebeserklärung an Schule und Jugend ist der Film zeitlos. Dabei zeigt Heinz Rühmann als Hans Pfeiffer (mit drei „f“, eins vor dem „ei“, zwei danach) in seiner Verwandlung vom angesehenen Bürger zum frechen Schüler trefflich, dass Jugend kein Lebensabschnitt ist – sondern eine Einstellung.
Wirklich jung ist, wer auf sein Herz hört, wem Freundschaft und Liebe mehr als Karriere sind, wer keinen Opportunismus kennt, sondern unangepasst gegenüber Autoritäten stets das Lustige und Fragwürdige am status quo sieht.
Und wer jung ist, hat Recht. Auch wenn die Frage, ob Pfeiffer – der in „Wirklichkeit“ bekanntlich gar kein Pennäler, sondern erfolgreicher Literat ist – mit der naiven, aber unverdorbenen Eva glücklich werden wird, über die Grenzen des Films hinausgeht.
Und so bleibt mir – der ich bei einer Tasse starker Heinz-Rühmann-Bowle am flackernden Kamin sitze und diesen Text vollende – nur, mit Ihnen, liebe Leser, anzustoßen auf die Segnungen des Alkohols und der daraus entstandenen Idee, Pfeiffer noch einmal in die Schule zu schicken. In seiner Entscheidung für die Jugend wurde er zum Vorbild. Zu Weihnachten könnt ihr mir Karl May schenken und zu Ostern glaube ich vielleicht schon wieder an den Klapperstorch. Zum Wohl!