13. Türchen | Väterchen Frost und der russische Winter

Laura Werz | Es wird stetig kälter, die Tage kürzer und wir ziehen uns mehr und mehr in die warmen, geheizten Innenräume zurück. Der Winter ist inzwischen mit all seiner Kälte, Unbarmherzigkeit und auch Schönheit bei uns eingekehrt. Draußen liegt eine weiße Schneedecke, die die Welt wie in einem Märchen in eine weiße Decke hüllt. Der Winter kann so eisern, wie zauberhaft sein. Kein Wunder, dass uns diese Jahreszeit jedes Jahr auf neue verzaubert und in ihren Bann reißt. Besonders wertgeschätzt wird der Winter in der slawischen Mythologie. In slawischen Wintermärchen und Sagen begegnet man stets einer Person, der Personifikation des Winters: Väterchen Frost.
Väterchen Frost:
Die Figur des Djed Moros, alias Väterchen Frost, ist bereits seit Jahrhunderten in Märchen und der slawischen Mythologie vorhanden. Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte er in Russland große Popularität. Ursprünglich galt Väterchen Frost als Personifikation des Winters. Er ist sehr naturverbunden und durch sein Zepter, dass alles bei Berührung gefrieren lässt, zu erkennen. Mit Väterchen Frost wurde der Anfang des Winters und das Fallen des ersten Schnees gefeiert. Heute ist in den ehemaligen Ostblockstaaten das Fest des Winteranfangs nicht mehr so bekannt wie früher, da es im Kommunismus, wie auch alle anderen religiösen und kulturellen Festen, verboten wurde. Mit der Zeit wurde Väterchen Frost durch westliche Einflüsse zunehmend mit der Figur des Weihnachtsmannes in Verbindung gebracht.
Nach heutigen Vorstellungen ähnelt er teilweise unserem westlichen Weihnachtsmann. Nicht nur, dass Väterchen Frosts Erscheinung mit langem weißen Bart, dicken Bauch und einem von Pferden (nicht Rentieren) gezogenen Schlitten, der des Weihnachtsmannes ähnelt, auch er bringt den Menschen Geschenke. Begleitet wird er der Sage zufolge von seiner Enkelin Schneeflöckchen („Snegurotschka“), mit der er gemeinsam in der Tundra lebt. Väterchen Frost besucht die Menschen allerdings nicht am 24. Dezember, sondern am 31. Dezember. An diesem Tag findet in Russland entsprechend die Bescherung statt. Vom 30. Dezember bis zum 8. Januar finden in Russland die traditionellen Neujahrestage statt, eine 10-tägige Feierzeit vom, in der alle Russen frei haben.
Weihnachten in Russland:
Der Heilige Abend („Koljadki“) wird in Russland wiederum am 6. Januar und Weihnachten am 7. Januargefeiert. Er ist hingegen ganz dem Ende der Fastenzeit gewidmet, die 40 Tage vor Weihnachten beginnt und nicht dem Konsum und Geschenken. Der Grund dafür liegt im christlich-orthodoxen Glauben der russischen Christen, die ihre Feste nach dem Julianischen Kalender feiern. In Russland ist Weihnachten das zweitwichtigste religiöse Fest nach Ostern. Nach der Oktoberrevolution 1917 war die Kirche zu kommunistischen Zeiten offiziell verboten und man durfte Weihnachten nicht mehr feiern. Erst Putin beendete dieses Verbot durch ein Arrangement mit den Patriarchaten und nimmt am Weihnachtsgottesdienst teil. Der stundenlange Gottesdienst mit Gesang und Lichter-Prozessionen ist das wichtigste Ereignis am Abend vor Weihnachten. Bis heute haben sich in Russland heidnische Bräuche gehalten, obwohl das russische Weihnachten ein christliches Fest ist. Es werden Lieder zur Verehrung der Sonne und anderer Naturphänomene gesungen und sich eine reiche Ernte gewünscht.
Weihnachten in Russland ist kein Geschenkefest. Stattdessen beschenkt man seine Liebsten zu Silvester und feiert traditionell mit Väterchen Frost den Winterbeginn und die kalte Jahreszeit. Die Mythologie des Väterchen Frost lässt den teils erbarmungslosen kalten Winter verzaubert und märchenhaft erscheinen. Denkt vielleicht bei eurem nächsten Schneespaziergang, an den gutmütigen alten Herrn, der uns mit seinem Zepter den Winter beschert hat und sich gleich hinter der nächsten schneebedeckten Tanne versteckt.