100 Jahre Hyperinflation – wie der Staat das Geld seiner Bürger verspielte

Von Boris Cherny | Rasant steigende Preise, eine sich rapide verschlechternde wirtschaftliche Situation – das alles sind höchst aktuelle Probleme. Doch es ist manchmal ironisch, wie sich die Geschichte wiederholen kann. Genau vor 100 Jahren plagten Deutschland dieselben Probleme (wenn auch in weitaus katastrophalerem Ausmaß). Wahrscheinlich kennt jeder die berühmten Geldscheine, mit astronomischen Beträgen wie eine Millionen Mark (und höher), die im Jahre 1923 gedruckt wurden. Auch wenn unsere heutige Situation von der Schwere bei weitem nicht an die von 1923 heranreicht, ist der Hauptschuldige der gleiche: Ein hochmütiger Staat, der seine Bürger die eigenen Fehler ausbaden lässt.
Anders als häufig angenommen, wurde die Hyperinflation nicht erst durch die Bedingungen des Versailler Vertrags verursacht. Die Wurzeln der Hyperinflation lagen im August 1914. Eine von Kriegsbegeisterung geblendete Nation löst sich von der Goldbindung der Währung. Das heißt, dass die deutsche Währung, die Mark, nicht mehr an das Goldvermögen des deutschen Staates gebunden war, und somit nicht mehr wertstabil war. Doch nur dadurch konnte die deutsche Kriegsmaschinerie finanziert werden. Ohne dieser Aktion wäre die Hyperinflation wohl niemals zustande gekommen. Milliardenhohe Kredite waren vonnöten, die bei einer Goldbindung nicht möglich gewesen wären. Sorgen, dass die Kredite, die von der Bevölkerung durch Kriegsanleihen im Nachhinein finanziert werden sollten, zu einer Inflation führen könnten, hatte die Regierung nicht. Während des Krieges wurde die Inflationsrate durch den geminderten privaten Konsum im moderaten Bereich gehalten. Außerdem war ein rascher deutscher Sieg aus Sicht der Politik so gut wie sicher und die deutschen Kriegskosten sollten nach dem Ende des Krieges von den Verlierern, also den Briten, Franzosen und Russen, getragen werden.
Die Inflation stieg rasant
Doch bekanntlich kam alles ganz anders. Deutschland musste nicht nur seine eigenen Kriegskosten tragen, nein, es musste auch reichlich Reparationen, anfangs 132 Milliarden Goldmark, an die Entente-Mächte zahlen, um deren Kriegskredite zu finanzieren. Die Reparationen, die im Versailler Vertrag festgeschrieben waren, mussten in Devisen zurückgezahlt werden, aber in ihrem Kurs zur Goldmark, also der goldgebundenen Währung, die vor dem ersten Weltkrieg galt. Somit konnte Deutschland nicht einfach noch mehr Geld drucken, um die Schulden dann damit zu begleichen. Trotzdem stieg die Inflation bereits ab Ende des Krieges rasant, da neue Staatsschulden aufgenommen werden mussten, um Hinterbliebene und Kriegsgeschädigte unterstützen zu können. Die Mark war 1920 nur noch ein Zehntel der Mark von 1914 wert.
Ab 1921 wurden zusätzlich zahlreiche Devisen gekauft, um die Reparationen zu bezahlen. Mit dem Ruhrkampf (dem passiven Widerstand der Arbeiter während der französischen Besetzung des Ruhrgebiets infolge nicht ausreichender Reparationszahlungen) artete die Situation 1923 in eine absolute Katastrophe aus. Um die Löhne der streikenden Arbeiter im Ruhrgebiet bezahlen zu können, ließ die Regierung unablässig Geld drucken. Dabei war es lange Zeit offensichtlich, dass ein Erfolg des Ruhrkampfs sehr unwahrscheinlich ist. Doch die Franzosen ließen der Regierung scheinbar keine Wahl. Die erstarkenden Nationalisten würden im Falle einer Einstellung des Ruhrkampfs nur noch mehr Rückenwind bekommen. Somit führte die Regierung diese destruktive Politik lange Zeit fort, bis keine andere Möglichkeit mehr bestand als den Ruhrkampf zu beenden.
Der Grundstein für Hitlers Machtergreifung
Doch das Kind war schon in den Brunnen gefallen. Die Hyperinflation war lange da. Auf ihrem Höhepunkt war ein US-Dollar über 600 Milliarden Mark wert. Das Ersparte der sich gerade vom Krieg erholenden Mittelklasse wurde wertlos. Arbeiter konnten von ihren Löhnen nicht mehr leben. Menschen mit festgesetztem Einkommen, wie beispielsweise Rentner, litten am meisten unter der Hyperinflation. Die Ereignisse des Jahres 1923 zerstörten das Vertrauen vieler Menschen in die Weimarer Republik und legten den Grundstein für Hitlers Machtergreifung zehn Jahre später. Dabei war es der militante Nationalismus und seine Akteure, die hauptverantwortlich für die Hyperinflation sind. Nur um einen mörderischen Krieg zu finanzieren, nahm die kaiserliche Regierung schwere Schäden für die Wirtschaft in Kauf. Auch 1923 trieben die Nationalisten durch ihre Agitation den Ruhrkampf und damit die Inflation voran, ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verluste und damit auf das Wohlergehen der Menschen in Deutschland.
Damals wie heute wurde die Inflation durch irrationale und unverantwortliche Entscheidungen des Staates verursacht. Das sollten wir uns als Gesellschaft immer wieder ins Gedächtnis rufen, wenn die Rufe nach mehr staatlicher Verantwortung laut werden.