1. Türchen | Weihnachtsstimmung aus Protest.

Von Elisa David | Der 1. Dezember. Seit ich denken kann, ist die Zeit vor Weihnachten eine besonders magische für mich gewesen. Ab Ende November fieberte ich dem 1. Dezember entgegen, weil das der Tag ist, an man endlich das erste Türchen aufmachen durfte. Als Kinder haben mein Bruder und ich uns immer Playmobil-Adventskalender gewünscht, die waren aber gar nicht so leicht zu ergattern. Wie man das ja so kennt, beginnt die Vorweihnachtszeit in der Welt des Einzelhandels bereits Mitte Oktober.
Das ist auch der Zeitpunkt, an dem die Adventskalender in das Schaufenster des kleinen Spielzeugladens in unserem Stadtteil kamen. Sobald das der Fall war, musste man schnell sein. Denn die Vorstellung, dass die so lange verkauft werden, bis es tatsächlich die Zeit dafür ist – und nicht noch Mitte Herbst – berücksichtigt nicht, dass direkt nach Weihnachten schon Ostern dran ist. Dafür muss Platz im Lager sein. Wer also nicht spätestens am 20. Oktober ausgesorgt hatte, konnte zusehen, wo er an der Adventskalender-Front bleibt.
Die Weihnachtsstimmung lässt auf sich warten genauso wie der Schnee zu Weihnachten und der Weihnachstmann selbst und man weiß nie so genau warum.
Da hält man den schönen Kalender dann in den Armen, trägt ihn stolz zur Kasse und nach Hause – und muss ihn dann wieder abgeben, bis es dann endlich auch offiziell so weit ist. Oktober und November waren für mich also quasi Vorfreude auf die Vorfreude. Wobei Vorfreude ja auch die schönste Freude ist – direkt nach der Schadenfreude zumindest. Die ganze Vorweihnachtszeit lebt nur davon: jeden Tag ist es ein Türchen weniger, jede Woche eine Kerze mehr. Und dann kommt das Christkind oder der Weihnachtsmann, je nach Haushalt und je nach dem wie breit der Karmin ist.
Jeder, selbst diejenigen, die eigentlich stolzer Grinch und Weihnachtsmuffel sind, muss zugeben, dass der Dezember eine ganz besondere Zeit im Winter ist. Es ist wärmer, sogar irgendwie leuchtender als sonst. Man wird weich ums Herz, ertappt sich sogar dabei Mitgefühl oder überhaupt Gefühle zu verspüren. Wobei es doch jedes Jahr irgendwie nachlässt. Die Vorfreude lässt auf sich warten genauso wie der Schnee zu Weihnachten und der Weihnachtsmann selbst und man weiß nie so genau warum.
Ich könnte jetzt dem Alter die Schuld geben. Schließlich ist das ganze Spektakel nochmal ein ganz anderes Erlebnis, wenn man tatsächlich noch an den Weihnachtsmann oder das Christkind glaubt. Wenn man am Abend des 24. tatsächlich Hufgetrappel und Glöckchen hören kann und schwört, dass der erste Stern am Himmel doch eigentlich ein fliegender Schlitten ist. Oder man schiebt es auf die vielen LED-Lichter, den blinkenden Leuchtschriften die „Merry XMas“ ins All funken, den überfüllten Weihnachstmärkten mit Technomusik oder den Stollen, der schon seit August zu kaufen sind.
Wer ist Schuld? Na, die Politik natürlich!
Aber ich betreibe ja hier einen politischen Blog, deshalb suche ich die Schuld natürlich zu erst bei der Politik. Da wird man auch schnell fündig. Weihnachten ist politisch geworden. Schon wenn man Lebkuchen kaufen will und dabei aufpassen muss, nicht aus Versehen zu den glutenfreien Bio-Dinkel-Lebkuchen mit zuckerfreier Vegan-„Schokolade“ zu greifen. Gehe ich heute über den Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz, komme ich gar nicht so weit, mich von der lauten blechernen Musik, dem Geruch von altem Fett oder den Bettlern abstoßen zu lassen. Ich stehe davor und erinnere mich an letztes Jahr, als genau an dieser Stelle noch Securitymänner standen, die niemanden vorbei ließen, ohne Impfpass und Personalausweis mit der Person abzugleichen die da vor ihnen steht. Und schon war‘s das mit der Weihnachtsstimmung – ganz von alleine.
In jedem Weihnachtsgottesdienst geht es um Seenotrettung, „Jesus hätte sich impfen lassen“ und die AfD. Der Pastor oder Priester erklärt seinen Schäfchen von seiner Kanzel aus, was sie wählen sollen, Lieder dürfen nicht gesungen werden, weil Corona. Und die große kalte Kirche ist noch eisiger als sonst – nicht nur weil nicht mehr geheizt wird. Die Energiekrise ist schließlich die perfekte Gelegenheit, näher zusammenzurücken und Nächstenliebe für die Politiker zu verspüren die das verbockt haben. Es ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis irgendein hohes Tier aus der evangelischen Kirche verkündet, dass wir kein Recht auf einen beleuchteten Weihnachtsbaum haben. Und eigentlich darf man ja nicht mehr Weihnachten sagen, sondern „Festtage“.
Kommt gefälligst in Weihnachtsstimmung – ob ihr wollt oder nicht!
Ich habe aber beschlossen, mir die Liebe zu Weihnachten nicht nehmen zu lassen. Stattdessen werde ich mich – gerade weil die Politik es nicht will – regelrecht dazu zwingen in festliche Stimmung zu kommen. Ich werde aus Protest jeden Bratapfel mit Freude genießen, auf den ich Lust habe, Plätzchen backen, gänzlich ungeboostert auf Weihnachsmärkte gehen, den Baum mit LEDs schmücken, ja sogar heizen und jedem eine frohe Vorweihnachtszeit wünschen, der nicht bei drei auf Tannenbaum ist. Niemand wird der Vorfreude entkommen, solange ich da noch ein Wörtchen mitzureden habe. Also jetzt kommt gefälligst in Weihnachststimmung – ob ihr wollt oder nicht!
Ein Adventskalender! Wie geil ist das denn?!!! Daaaanke Apollo!