Filmstar Ingrid Bergman: Sie spielte noch Frauen, keine feministischen Kämpferinnen

Von Anna Graalfs | „If you knew how much I loved you… How much I still love you”. Als Ingrid Bergman diese Worte in „Casablanca” (1942) sprach, verliebte sich die ganze Welt in sie. Aus der schüchternen Schwedin wurde eine 3-fache-Oscarpreisträgerin und ein Weltstar, der das Kino grundlegend veränderte. Am 29. August hat sich ihr Todestag zum vierzigsten Mal gejährt – also habe ich mir gedacht: Wann gibt es einen besseren Anlass, um den Apollo-Lesern eine meiner Lieblingsschaupielerinnen vorzustellen?
Bergmans Weg nach Hollywood
Ihre Anfänge im Kino hatte Bergman schon mit knappen 17 Jahren in ihrem Heimatland Schweden. 1932 machte sie ihre erste Erfahrung als Statistin im schwedischen Film „Landskamp” und war begeistert. Doch Hollywood war noch meilenweit entfernt. Es war eine Kundin des Blumenladens ihres Onkels, die schließlich Schwung in ihre Karriere brachte: Die schwedische Schauspielerin und Regisseurin Karin Swanström führte Bergman in die Welt der Schauspielerei ein – und schließlich war es so weit: Der legendäre Produzent David O. Selznick entdeckte ihr Talent und nahm sie mit in die USA. Aber eine Sache stand Ingrid Bergman noch im Weg: Sie entsprach nicht dem Schönheitsideal Hollywoods. Selznick meinte, man müsse grundlegend was an ihrem Aussehen verändern, wenn sie den Durchbruch in Hollywood erreichen wolle. Schließlich sei ihre Nase zu groß, ihre Augenbrauen seien zu buschig und ihr Name höre sich zu Deutsch an. Sie müsse auch viel mehr Make-up tragen. Doch das ließ Bergman nicht mit sich machen. Entschlossen feuerte sie zurück: „Auf gar keinen Fall! Mein Name ist Ingrid Bergman und das ist mein Look.” Hollywood wusste, dass sie das junge Talent an das schwedische Kino verlieren würden, wenn sie sie nicht doch so akzeptierten wie sie eben war. Und Gott sei Dank war das auch der Fall. Denn gerade die Natürlichkeit in Bergmans Auftreten macht doch ihren unvergleichbaren Charm aus.
Die größten Filme ihrer Karriere
Mit „Casablanca” (1942) gelang ihr der Durchbruch. An Seite von Humphrey Bogart verkörpert Ingrid Bergman hier die loyale Ehefrau eines tschechischen Widerstandkämpfers im Zweiten Weltkrieg. Ilsa Lund steht vor einem Dilemma: Sie muss mit ihrem Mann von den Nazis flüchten, doch der Einzige, der ihnen helfen könnte, Casablanca zu verlassen, ist ihr ehemaliger Liebhaber Rick Blaine, für den sie noch Gefühle hat… Guckt man den Klassiker heute, fällt einem sofort auf: Im Gegensatz zu heutigen weiblichen Hauptdarstellerinnen, ist Bergman als Illsa Lund keine makellose feministische Powerfrau, die immer alles besser weiß und deren einziges Problem ist, dass sie von sexistischen Männern unterdrückt wird. Nein, Bergman hält in einem Moment wie wahnsinnig die Waffe in der Hand und im anderen liegt sie weinend im Arm ihres Geliebten. Bergman verkörperte Frauen, die selbstbewusst, mutig und gewitzt sind – und sich dennoch verirren können. Sie zeigte eine Verletzlichkeit der Frau, die heute nicht mehr sein darf, aber doch eigentlich viel lebensechter ist, als das männliche Gehabe der Hollywood-Schauspielerinnen von heute.
Ein gutes Beispiel dafür ist auch der Film „Gaslight” („Das Haus der Lady Alquist” auf Deutsch), für den sie zum ersten Mal mit einem Oscar belohnt wurde. In diesem Psychothriller wird Paula Alquist, Ingrid Bergman, von ihrem Ehemann so psychisch manipuliert, bis sie glaubt, sie sei wahnsinnig geworden. Ihr Mann, gespielt von Charles Boyer, nutzt Paulas labilen Zustand aus, um ungestört auf dem Dachboden des Hauses nach Juwelen von Paulas Tante zu suchen, die er Jahre zuvor ermordet hatte. Jede Nacht hört Paula Geräusche auf dem Dachboden, doch ihr Ehemann versichert ihr, dass sie sich alles nur einbildet und es am besten sei, wenn sie sich zu Hause ausruht, abgeschottet von aller Welt… Der Film ist nicht ohne Grund mein Lieblings-Bergman-Film. Sie spielt diese Rolle so gut wie keine andere: In ihrem Gesicht kann man jede Emotion ablesen – als würde man mit ihr verschmelzen spürt man ihre Verunsicherung, ihre Angst und die sich aufdrängende Frage: Wem kann sie noch vertrauen? Es ist wirklich so: Wenn man Ingrid Bergman Paula spielen sieht, stürzt man gemeinsam mit ihr in den Wahnsinn.
Wiederaufbau ihres Images
Doch wie bei jeder guten Schauspielerin dauerte es nicht lange, bis Bergmans Karriere durch Veröffentlichungen aus ihrem Privatleben in die Krise geriet. 1949 wurde medial bekannt, dass Bergman eine Affäre mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini hatte und von ihm schwanger geworden war. Eine verheiratete Frau, schwanger von einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet war – damals einer der größten Skandale in Hollywood! Erst mit ihrer Titelrolle in „Anastasia” (1956) schaffte es Bergman langsam wieder zurück in die Herzen der Amerikaner und gewann dafür sogar ihren zweiten Oscar. Heute kann man diesen Wahnsinn kaum noch nachempfinden. Ich finde Ingrids Verhältnis zu Rossellini, welches nachher zur Ehe wurde, hat das Kino nur noch mehr bereichert. Schließlich hat sie durch ihn italienisch gelernt und sogar in einer Handvoll italienischen Filmen mitgespielt. Aber nicht nur italienisch konnte sie, Bergman war ein erstklassiges Sprachtalent: Sie konnte Schwedisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch fließend sprechen. Sie hat außerdem in all diesen Sprachen geschauspielert. Auch darum ist sie für mich ein riesiges Vorbild.
Nach ihrem zweiten Oscargewinn feierte Bergman noch weitere Erfolge zusammen mit Cary Grant in „Indiscret” (1958) oder in der Adaption von Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame” namens „The Visit” (1964). Und als würden ihr zwei Oscars noch nicht reichen, gewann sie 1974 ihren dritten, diesmal in der Kategorie der Nebendarstellerin in „Murder On The Orient Express” (1974), der Verfilmung des gleichnamigen, 40 Jahre zuvor erschienen Kriminalromans Agatha Christies. Dort spielt Bergman eine schüchterne, gottergebene Frau – doch die Rachsucht bewegt auch sie dazu, Teil eines schrecklichen Mordes zu werden…
In all den Jahren, die Berman von der Kamera stand merkte man immer: Sie war leidenschaftlich ins Schauspielern verliebt. Bis zu ihrem Todesjahr 1982, als sie an ihrem Geburtstag an Brustkrebs verstarb, spielte sie noch in zahlreichen Filmen und im Theater mit. Ihr Vermächtnis an uns sind 48 Filme einer 47-Jahre-langen Karriere, in denen man Zeuge puren Schauspieltalents wird. Ich habe „Gaslight” (1944) jetzt schon unzählige Male gesehen, doch jedes Mal, wenn ich einen emotionalen Ausbruch Paulas auf dem Bildschirm erlebe, zieht sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper. Ich bin mir sicher: Ingrid Bergman wird als eine der bedeutendsten, außergewöhnlichsten Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts für immer unvergessen bleiben.